Hozier: „Ich bin kein politischer Aktivist“
Von Caroline Whiteley
Mit der einschlägigen EP „Take Me To Church“ schaffte der irische Musiker Hozier 2013 seinen internationalen Durchbruch. Das Musikvideo des Titeltracks erschien zeitgleich zu den olympischen Winterspielen in Sotschi und war eine direkte Kritik an der russischen Verfolgung Homosexueller. Ich traf den sympathisch nachdenklichen 24-Jährigen in Berlin, um nachzuhaken wie es ihm mit seinem neuen Ruf als politisch aktiver Musiker geht.
ZEITjUNG.de: Ich wollte ja eigentlich Pfeffi mitbringen, aber dann war ich mental irgendwie doch noch nicht wieder bereit dafür. Also steig ich jetzt mal direkt ein: nämlich bei deinen Gospel Einflüssen – die sind ja nicht gerade typisch für deine Heimat, Irland.
Hozier: Oh, schade! Ich hab schon von eurem Pfeffi gehört, aber es noch nie probiert – wär sicher gut gewesen. Zu den Gospel Einflüssen: Nein, typisch sind sie nicht, aber mir wurden sie als Kind durch meinen Vater eingetrichtert. Er war Schlagzeuger in vielen Blues Bands und davon habe ich viel mitbekommen. An Gospel, Jazz und Soul war ich immer interessiert und ich fand es spannend, im Laufe der Jahre mehr darüber zu lernen. Diese Art von Musik hat eine so vielfältige Geschichte. Der Folklore- und Musikforscher Alan Lomax zum Beispiel sammelte Feldaufnahmen aus amerikanischen Gefängnissen, also nahm die dort gesungen Arbeitersongs auf. Und er war einer der ersten, die Muddy Waters aufnahmen, bevor er als Bluesmusiker den Durchbruch schaffte. Ich höre auch jetzt noch viel Blues oder Gospel, wenn ich dazu komme.
Hattest du auch einen religiösen Bezug zu dieser Musik?
Nicht wirklich, ich habe im Chor gesungen und so, aber diese anglo-protestantischen Hymnen haben nicht wirklich den Biss oder den Schneid, den Gospel hat. Es ist eine andere Art, sich durch Gesang auszudrücken.
Spiritualität und religiöse Themen scheinen aber doch das Leitmotiv deiner EP „Take Me To Church“ zu sein?
Der Song „Take Me To Church“ handelt von einer Organisation, die untergräbt, was es bedeutet Mensch zu sein. Zum Beispiel die katholische Kirche, die eine sehr hasserfüllte Einstellung dazu hat, ob oder wen man liebt. Sie verurteilt Verhütung, Homosexualität und stellt Sex als einen schamvollen Akt dar. Bevor man überhaupt (als Frau oder als Schwuler) von der katholischen Kirche diskriminiert werden kann, nämlich als Baby schon, wird einem eingetrichtert, dass man als Sündiger geboren wird. Das ist eine ziemlich krasse Denkweise, der ich immer gegenüber stehen werde.
In einer der Zeilen von „Take Me To Church“ singst du „Offer me that deathless death“ – was genau meinst du denn damit?
In diesem Fall ist ein „todloser Tod“ etwas, das alle Religionen vereint. Es ist das Verkaufsargument aller Religionen – das eine, was sie dir alle versprechen. Die menschliche Angst, die ausgenutzt wird. Sie versprechen dir ewiges Leben, Leben nach dem Leben. „Deathless Death“ ist das Angebot, „offer me that“. Und das tun Religionen, aber es ist eine Absurdität, Tod ohne Tod existiert nicht. Im Gegenzug zu dieser Absurdität musst du der Religion dein Leben widmen. Wenn es nichts physisches oder Geld ist, musst du deine Seele hergeben. Außerdem geht’s in diesem Song um Sex – um das, was danach kommt. Es ist ein freche, ironisch gemeinte Aussage, „offer me that“. Der Song ist an einen Liebhaber adressiert. Die Kirche in dem Song ist also auch eine Metapher.
Das Musikvideo von „Take Me To Church“ ist ein Angriff auf die russische Verfolgung von Homosexuellen – zusammengenommen mit dem, was du mir eben erzählt hast, muss ich jetzt mal fragen: Siehst du dich als politischen Musiker?
Interessant – es war sicher nie meine Intention als politischer Aktivist gesehen zu werden, beziehungsweise, ich bin es auch einfach nicht. Ich finde zudem, es sollte überhaupt keine „Aktivisten“ mehr geben müssen, um zu zeigen, wie ungerecht und menschenverachtend die Verfolgung Homosexueller ist – es handelt sich hier um grundlegende Menschenrechte. Im Idealfall gäbe es hier keine Diskussion.
Da hast du natürlich recht. Um direkt ein anderes Thema anzuschlagen: Kennst du die Website „RapGenius“?
Ich bin mal darauf gestoßen, gibt es dort Erklärungen zu einzelnen Versen?
Genau, da werden alle Rapsongs und ihre Lyrics bis aufs Detail analysiert und interpretiert. Du ahnst das jetzt sicher schon: Deine Songs findet man da auch…
(lacht) Gut zu wissen.
Du reist ja momentan wahnsinnig viel, bist du überhaupt noch im Netz unterwegs?
Oh ja, zum Beispiel auf diesem einen Twitter Account namens „KimKierkegaardashian“ @KimKierkegaard – ein Wortspiel auf Søren Kierkegaard, einem der Gründer des Existenzialismus und Kim Kardashian. Sie vermischen da Kim-Kardashian-Style Zitate über banale Themen wie Mode oder Celebrities mit tiefsinnigen existenziellen Aussagen, wie „My look is never complete without indescribable suffering“ oder „We love selfie! The despairing self, by taking notice of itself, tries to make itself more than it already is“.
Das klingt ja überragend.
(lacht) Es ist pures Gold!
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Bildquelle: Universal Music Germany