„Intrusive Thoughts“: Wenn psychische Erkrankungen zum Meme werden

Im Grunde genommen sind „Intrusive Thoughts“ weit verbreitet. Studien zufolge haben ganze 94 Prozent der Menschen solche Gedanken schon einmal erlebt. Diese unbeabsichtigten Einfälle erschrecken uns nicht selten selbst, da wir nicht genau wissen, woher sie kommen. Denn wenn wir im Auto für einen Moment darüber nachdenken, das Lenkrad herumzureißen oder am Bahnhof kurz versucht sind, einen Schritt in die Gleise zu machen, können wir oft nur verwundert mit dem Kopf schütteln. Vor allem, wenn solche Gedanken unserer Persönlichkeit eigentlich grundlegend widersprechen, führen sie meist zu keinen entsprechenden Handlungen. Aus diesem Grund bekämpfen wir aufkommende Überlegungen wie diese unterbewusst prompt. Auch eine gewisse Scham für diese meist gewaltvollen oder irrationalen Geistesblitze spielt dabei eine Rolle. Wer anfällig für Stress oder Hormonschwankungen ist, ist häufiger von „Intrusive Thoughts“ betroffen. Dennoch gilt: Solange diese nur selten auftreten und man in der Lage ist, sie zu kontrollieren, besteht in der Regel kein Grund zur Sorge. Nichtsdestotrotz besitzen nicht alle Menschen die Fähigkeit, solche Gedanken einfach so beiseite zu schieben. Kann man diese nur schwer abschütteln oder dem Drang nicht widerstehen, bestimmten Handlungsaufforderungen nachzukommen, ist das Ganze Symptom einer psychischen Erkrankung.

Wenn psychische Erkrankungen viral gehen

Die Tatsache, dass aus den „Intrusive Thoughts“ mittlerweile ein Internet-Meme geworden ist, sollte uns also zu denken geben. Dass Online-Trends und psychische Erkrankungen nicht unbedingt die beste Mischung sind, haben uns bereits ADHS-Selbstdiagnosen oder die „Sad Girl“-Bewegung gezeigt. Mit der immer größeren Reichweite solcher Krankheitsbilder besteht die Gefahr, dass ein völlig falsches Bild von ihnen vermittelt wird. Während sich also auf einmal das halbe Internet über angebliche Erfahrungen austauscht oder unterhaltsame Videoclips teilt, fühlen sich Betroffene oft missverstanden. Denn wenn sich mittlerweile scheinbar jede*r in ihren geschilderten Problemen wiederfindet, werden diese oft weniger ernstgenommen. Besonders, da es sich bei „Intrusive Thoughts“ häufig um eher tabuisierte Themen wie unangepasstes Verhalten, Gewalt oder Aggressionen dreht, fällt es Betroffenen häufig schwer, diese vor anderen zu thematisieren. Daher liegt es auf der Hand, dass es nicht unbedingt förderlich ist, wenn die eigene Erkrankung gerade zum Mainstream geworden zu sein scheint.

Plötzlich auftretende, irrationale Gedankengänge sind also weitaus mehr als nur ein Trend auf Social Media. Sind wir beim nächsten Mal wieder kurz versucht, uns mit der Bastelschere einen Pony zu schneiden oder im Zug die Notbremse zu ziehen, können wir uns glücklich schätzen, solche Ideen nur einen Moment lang im Kopf zu haben.

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Bildquelle: Ike louie Natividad via Pexels; CC0-Lizenz