Frag Joanna! „Ich bin mit einer Frau im Bett gelandet – bin ich jetzt lesbisch?“
Birds do it, bees do it, even educated fleas do it… Wir Menschen machen es auch, denn mal ehrlich, wir sind alle sexuelle Wesen. Wir können gar nicht anders. Blöderweise kommt uns aber manchmal die von Cole Porter beschriebene Leichtigkeit abhanden, wenn wir mit nackten Tatsachen konfrontiert sind. Plötzlich sind da Unsicherheiten, Untiefen, Situationen; Dinge sind nicht mehr taghell oder nachtschwarz. Oft bewegen wir uns in den grauen, schattigen Zwischenräumen. Und dann? Für Dr. Sommer sind wir zu alt, unsere Freunde wissen auch nicht alles und manches wollen wir sie lieber nicht fragen. Pornos beantworten einige Fragen, können aber auch neue aufwerfen.
Geht’s dir auch so, ab und an? Wir haben uns Sexualpädagogin Joanna Stein ins Team geholt. Von nun an wird sie in ihrer Serie eure Fragen rund um die schönste Sache der Welt beantworten.
Die Frage: Ich bin 24, w, und war die letzten Jahre immer mit Männern zusammen. Vor 3 Wochen habe ich zum ersten Mal seit Jahren eine gute Freundin aus der Schule wieder getroffen. Wir haben früher mega viel zusammen gemacht uns dann aber aus den Augen verloren. Damals haben wir auch ab und zu rumgemacht. Das war aufregend, aber eigentlich mehr aus Spaß. Jetzt ist das auch wieder passiert, wir sind sogar im Bett gelandet. Und irgendwie hab ich das Gefühl, dass es richtig gefunkt hat. Das verwirrt mich komplett! Ich dachte eigentlich immer, ich bin hetero! Bin ich vielleicht doch lesbisch?
Die Antwort: Mensch, kein Wunder, dass du ein bisschen durch den Wind bist. Da hattest du dich schon wunderbar einsortiert in die Schublade deiner sexuellen Orientierung und jetzt passt die vielleicht doch nicht… Bist du lesbisch? Möglich wär’s! Es gibt schließlich keinen richtigen Zeitpunkt, das zu merken. Einige wissen schon von frühester Kindheit an, dass sie sich von Menschen ihres eigenen Geschlechts angezogen fühlen. Manchmal braucht es aber auch eine gewisse Zeit, um sich das einzugestehen, was eigentlich immer schon da war. Es gibt da aber natürlich auch noch andere Alternativen; Bisexualität wäre eine davon.
Unsere heteronormative Gesellschaft möchte uns ja gerne glauben machen, dass das eigentlich ganz einfach ist. Die meisten Frauen lieben Männer, die meisten Männer lieben Frauen. Und ein sehr viel kleinerer Teil der Männer liebt Männer, ein paar wenige Frauen lieben Frauen. Diese drei Schubladen suggerieren schon ein bisschen mehr Vielfalt, werden in ihrer starren Polarität aber bei weitem nicht den zahlreichen Formen von gelebter Sexualität und sexueller Identität gerecht.
Zwischen den meist strikt getrennten Welten Hetero und Homo befindet sich ein lebendiger, komplexer und unglaublich vielfältiger Freiraum, der leider oft nur wenig sichtbar ist. Auch die Wissenschaft hat da bislang nicht wahnsinnig genau hingesehen. Streng genommen ist seit den 1940er Jahren, in denen Alfred Kinsey, der US-amerikanische Sexualforscher, mit seinem Report für Aufsehen sorgte, nicht mehr so viel passiert. Kinsey zeigte damals, dass in etwa ein Drittel aller Teilnehmer an der Studie bisexuelle Empfindungen oder Erfahrungen hatte und wirbelte damit ordentlich Staub auf. Neuere Studien zeigen zwar, dass die Zahlen vermutlich ein bisschen geringer sind, aber dennoch: Bisexualität oder bisexuelle Lebensabschnitte sind für eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Menschen ein Thema.