Offener Brief Arbeitgeber Bewerbung

Jobsuche: Was wir Arbeitgebern schon immer mal sagen wollten

Von Anna Fiedler

Liebe Arbeitgeber, liebe Personaler,

als potenzielle Arbeitnehmerin lege ich Ihnen ein paar Worte zu Papier und ans Herz, die es uns allen etwas leichter machen könnten. Oder Klarheit schaffen können. Wie auch immer, es geht um eure zukünftigen Mitarbeiter, um euren Nachwuchs. Der für euch bald vielleicht gar nicht mehr nachwachsen möchte.

Die Stellenanzeige ist für jeden von uns beiden der Anfang aller Anfänge. Hier gilt allerdings dasselbe, was Sie von mir als Bewerber zu erwarten haben. Die Rechtschreibung muss stimmen, die Ausdrucksweise selbstverständlich auch und Romane möchte auch niemand lesen. Das scheinen Sie  aber doch tatsächlich ganz schön oft zu verdrängen. Wenn ich in der Überschrift schon mit „Du, ja genau du, wir suchen dich als spritzige Unterstützung in unserem fetzigen Unternehmen!“ angesprochen werde, dann mache ich lieber sofort kehrt und renne, meine Bewerbungsunterlagen anzündend, dem arbeitslosen Horizont entgegen. Weil Yolo. Jeder darf kreativ sein, sowohl in Stellenanzeigen als auch in Bewerbungen. Aber Kreativität muss man leider auch beherrschen können. Tut man das nicht, lässt man es einfach.

 

Wenigstens eine Absage

 

Was ihr gerne und oft auch lasst, sind Absagen schreiben. Wir haben uns nicht umsonst viel Zeit genommen, um aufzuschreiben, was wir in der dritten Klasse gemacht haben und wie wir unsere Freizeit gestalten. Nehmt euch dann doch mal die Zeit, wenigstens ein Nein rauszuschicken. Ja, ich weiß, es ist so wenig Zeit und es sind so viele Bewerber. Aber die Zeit muss man sich nehmen. Solltet ihr in ein paar Jahren eure Headhunter ausschwärmen lassen, um neue Talente in euren rostigen Alltag zu integrieren,  werden das garantiert nicht wir sein, die kommen, um euch aus eurem verstaubtem Image-Zweiteiler zu helfen. Wir sitzen dann bei den Menschen, die den Anstand hatten, Mails zu verschicken. Oder wir sitzen zu Hause, weil unsere Bewerbung auch einfach wirklich nicht gut war. 

Diese Mails sind tatsächlich eine ganz gute Erfindung. Wenn man nämlich das Glück hat, von einer Absage lesen zu dürfen, dann winken einem hämisch grinsend Copy&Paste-Floskeln vom Bildschirm entgegen. Anstatt sich auch hier einfach mal die Zeit zu nehmen, ernsthafte Kritik in zwei, drei kurzen Sätzen zu formulieren. Entscheidungen haben ja meist einen Grund und dass alle wirklich gleich gut waren, aber man sich leider nur für einen der dreitausend Bewerber entscheiden konnte, ist keiner. Immerhin ist das hier der Nachwuchs eurer Branche, dem ihr grade absagt. Vielleicht kann dieser Nachwuchs ja etwas lernen und es woanders besser machen, um sich in ein paar Jahren dann vielleicht für euch bis zum Burnout zu verausgaben.

 

Der perfekte Praktikant, der vorher schon alles kann

 

Wenn ihr dann doch von uns überzeugt seid und nicht vergessen habt, zu antworten, fällt euch direkt auch noch die Stelle ein, der doch eigentlich am meisten Ruhm gebührt. Denn wer ein unbezahltes Praktikum absolviert, der profitiert nicht nur von der Aura der bezahlten Köpfe des Unternehmens, sondern kann sich auch glücklich schätzen, überhaupt dort zu arbeiten. Wie ich die Bahn, mit deren Hilfe ich morgens pünktlich auf der Matte stehe, bezahle oder es hinbekomme, nicht zu sterben, weil ich kein Geld für’s Leben habe, scheint für euch nicht von großem Interesse zu sein. Hauptsache da sitzt jemand Talentiertes, der Bock hat und nicht merkt, dass er quasi als moderner Sklave gehalten wird.

Wenn ihr zufällig noch andere Stellen als die des unbezahlten Arschlochs zu besetzen habt, dann ist es wichtig, dass der Bewerber jahrelange Erfahrung mitbringt. Und bestenfalls jahrelang studiert hat. Klar, das ist verständlich. Ich würde auch niemanden einstellen, dem ich erst noch etwas beibringen müsste oder der vielleicht gar nicht studiert hat. Da ich natürlich vor meinem Abitur und meinem achtjährigen Studium mit 12 meinen ersten Job antrat, konnte ich bereits wertvolle Erfahrungen bei diversen Unternehmen sammeln. Nach meiner dritten Beförderung mit 14 entschloss ich mich, mein Hauptmerk auf meine schulischen Leistungen zu setzen, auf die Sie selbst ja auch sehr viel Wert legen. Deswegen entschuldige ich die unansehnliche Lücke zwischen meinem 15. und meinem 17. Lebensjahr. Spätestens hier hätte ich wohl verloren.

 

Lücken im Lebenslauf?

 

Wenn ich keine Lücken im Lebenslauf, jahrelange Erfahrung und niedrige Gehaltsansprüche habe, dann habe ich es eventuell geschafft und darf in den heiligen Hallen Ihrer Büros Platz nehmen. Und wenn ich noch viel mehr Glück habe, darf ich sorgfältig aus HR-Büchern rauskopierte Fragen, die gewitzt und locker klingen sollen, beantworten. Welche Rolle ich denn in einem Team annehme und was ich tun würde, wäre dies mein erster Tag und jedes Department bombardierte mich mit Anliegen. Selbstverständlich bin ich die, die schwächere Teammitglieder erpresst und sie die ganze Arbeit machen lässt, um hinterher selber die Lorbeeren einzuheimsen. Dabei gehe ich möglichst aggressiv und unkollegial vor, denn ein Teamplayer bin ich auf keinen Fall. Und wenn ich so viel zu tun hätte wie eben beschrieben, würde ich selbstverständlich erstmal rausgehen, mir gepflegt eine Zigarette anzünden und dazu einen schönen Kaffee trinken. Obwohl nein, ich rauche ja nicht. Ich würde in diesem Fall aber eine Ausnahme machen und nur so tun, damit ich der vielen Arbeit entgehe.

Haben Sie mal überlegt, dass dort ein Mensch vor Ihnen sitzt und kein in Lehrbüchern des Personalmanagements zusammengeschustertes Fallbeispiel?! Fragen Sie mal nach seinen Träumen und Wünschen. Und damit meine ich nicht, wo derjenige sich in fünf Jahren sieht. Fragen Sie nach Sachen, die er richtig gut kann und Sachen, die er gar nicht gut kann. Fragen Sie, worauf er stolz ist. Was ihn beeindruckt und bewegt. Sie bekommen garantiert zur Abwechslung mal etwas Ehrliches zu hören.

Ich sitze auch nicht gerne in unangenehmen Gesprächen, in denen beide Parteien möglichst hartnäckig probieren, etwas zu sein, was sie nicht sind und nicht sein können. Keiner tut das. Ich kann zwar ganz gut lügen, aber spätestens, wenn ich dem Kunden aus Finnland dann in seiner Muttersprache erklären muss, wie das Konzept aussieht, fällt mir wieder ein, wieso Lügen so uncool ist. Nur weil wir arbeiten gehen, heißt es nicht, dass wir dort eine komplett andere Person geben müssen. Außer wir arbeiten als Immobilienmakler.

Tut mir leid, dass ich so hart mit Ihnen war, aber können wir nicht beide probieren, etwas menschlicher zu sein?

Bis bald dann im Bewerbungsgespräch!

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Bildquelle: Matthew Kane unter CC 0 Lizenz