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Die Kinder, die Wohnung und die Frage: Wie soll mein Leben werden?

Früher verwendete ich oft den Ausdruck „die Großen“. Das waren jene Menschen, die älter waren als ich – und damit einhergehend „erwachsen“. Das Erwachsensein hatte für mich klare Definitionspunkte: Ich werde wissen, was ich will. Ich werde nicht mehr jedes Wochenende im Club abhängen wollen. Ich werde Geld verdienen, gesetzter werden und irgendwann meinen eigenen Willen für meine Kinder zurückschrauben. Jetzt werde ich in zwei Jahren Dreißig und somit auch bald mal erwachsen – das sesshafte Alter lauert quasi auf mich.

Aber ich will immer noch barfuß zu Techno tanzen und nicht gesetzter werden. Meine Freunde will ich immer noch so oft wie möglich im Biergarten treffen und fragen, was in ihrem Leben passiert. Kinder möchte ich auch gerne innerhalb der nächsten Jahre… aber so, dass sich nicht mein ganzes Leben auf einmal nur noch um sie drehen muss. Lieber hätte ich sie in den Alltagsdingen, die mir Freude machen, einfach dabei; natürlich immer unter der Prämisse, dass es ihnen dort gut geht. Ich weiß sehr wohl, was ich für ein Mensch bin – und ich weiß sehr genau, welche Dinge sich auch nicht mit dem höheren Alter verändern werden.

Mein momentanes Leben findet in einer WG statt, was auch mit Ende 20 kein Alleinstellungsmerkmal in der heutigen Zeit ist. Wenn ich aber Menschen erzähle, dass ich nicht vorhabe, im späteren Alter aus dem Nest meiner ausgewählten Gesellschaft auszufliegen, merke ich, dass ich damit oft alleine bin. Noch irritierter sind sie nur dann, wenn ich zusätzlich erwähne, dass ich auch nicht aus einer Gemeinschaft ausziehen möchte, wenn mal Kinder da sind.

 

„Du freust dich doch bestimmt drauf, nach deinem Abschluss endlich eine eigene Wohnung zu haben?“

 

Ehrlich gesagt kann ich mir nichts langweiligeres vorstellen, als alleine zu leben. Ich habe bereits meine eigene Wohnung gehabt – eine schöne Zeit. Ich genoss die Ruhe und dass ich im Sommer nackig unter den Dachbalken meiner kleinen Butze rumlaufen konnte. Dann im zweiten Jahr fand ich es schade, dass keiner Hallo sagt, wenn ich nach Hause komme. Ich bin also mit meinem damaligen Freund zusammen gezogen, die ersten paar Jahre fand ich es wunderbar. Dann kam der Moment, von dem wir immer glauben, er passiert uns nicht in der eigenen Beziehung: Wir hatten diese fiesen, kleinen Dinge, die ein Paar irgendwann traurig machen. Keine spontanen Verabredungen mehr zum Espresso beim Italiener um die Ecke, kaum noch gemeinsames Weggehen und wildes Tanzen, an manchen Tagen tauschten wir die Jogginghose gar nicht mehr gegen die Röhrenjeans. Viel Streit, zu viel unfreiwillige, exklusive Nähe. Ich sehnte mich wieder nach meinen WG-Abenden mit Rotwein am Küchentisch, unseren wilden Debatten, kleinen Aufmerksamkeiten auf Post-Its und den Einwegkamera-Bildern am Kühlschrank. Meine WGs waren immer wie eine Familie für mich und diese Funktion haben sie auch noch jetzt.

 

Warum sollen wir das alleine durchziehen?

 

Ich habe alle Möglichkeiten des Zusammenlebens ausgeschöpft – und weiß jetzt ganz klar, dass ich ein klassisches Modell nicht möchte. Meine Kindheit fand ich einer kleinen Gemeinschaft statt, in meiner Erinnerung waren da immer mehrere Menschen als nur meine Familie. Ich bin eine sehr extrovertierte Frau geworden und kann bis heute schnell liebe Menschen an meiner Seite verzeichnen. Alleine oder nur zu zweit zu leben, birgt für mich das Risiko, sich zu extrem nur auf die zweite Person zu konzentrieren und alles an Entertainment nur von diesem Menschen zu erwarten. Diese Person muss all meine Freude, mein Leid und meine Langeweile aushalten – und umgekehrt. Schließlich begegnet man sich täglich und hat ja beschlossen, wahrscheinlich den Rest des Lebens zusammen zu verbringen…. ziemlich große Erwartungen, würde ich sagen. Ich habe Freunde, die nur zu zweit leben – einige davon mit ihrem ersten Kind. Eigentlich alle haben irgendwann verraten, ihnen würde die Decke auf den Kopf fallen. Ihre Beziehung ist oft ein Pingpong zwischen Babysitter finden, das Haus nicht verlassen können und Abkapselung von vielen lieben Mitmenschen. Und ich kann den Rückzug verstehen – aber ich will es selbst nicht. Mir ist bewusst, wenn ich ein Kind haben werde, brauchen wir erst mal Ruhe. Es wird vielleicht nachts nicht schlafen wollen, und ich werde tagsüber an nichts anderes denken können, als auf der Stelle einzupennen. Mein Partner und ich werden bestimmt straucheln und eigene Probleme über den anderen kanalisieren. Subtile Vorwürfe, Einsamkeit und Selbstaufgabe. Das kann passieren – aber warum müssen wir das alleine durchziehen?

 

Man braucht ein Dorf, um ein Kind groß zuziehen

 

Meiner Generation wird viel vorgeworfen: Egoistische Selbstverwirklicher sollen wir sein. Ja, Träumer und Selbstsuchende sind wir vielleicht. Aber was ist verwerflich daran? Nur weil viele konventionelle Jahrzehnte einen bestimmten Lebensentwurf des Erwachsenwerdens beschlossen haben, muss ich noch lange nicht danach leben. Gerne habe ich meine Freunde auch noch bei mir, wenn ich Mama bin. Noch lieber sehe ich meine zukünftigen Kinder mit liebevollen Menschen rumtoben, als dass es ständig nur das erschöpfte Gesicht von mir und meinem Partner vor Augen hat. Mein Wunsch ist es, meine Gemeinschaft zu behalten – gerne mit allen Kindern, die darin entstehen werden. Vielleicht in einem Haus mit Garten, jeder hat seinen Raum und Rückzugsort. Man trifft die anderen am Kühlschrank in der Küche, im Wohnzimmer auf der Couch oder im Sandkasten vor dem Haus. Ein afrikanisches Sprichwort besagt, man brauche ein Dorf, um ein Kind groß zuziehen. In meinem Kopf bedeutet das, einem Kind und seinen Eltern so viele liebevolle und verantwortungsvolle Bezugspersonen wie möglich zu geben. Dass wir uns gegenseitig helfen und uns auf diese Art nicht komplett selbst vergessen müssen.

 

Eltern bleiben sie selbst in den 20ern – auch wenn es nicht so aussieht!

 

Ich sehe es sowohl an meiner Mama als auch bei meinem Papa: Schon lange getrennt von einander machen beide nun endlich das, was sie schon immer geliebt haben. Einen VW-Bus kaufen, wieder mit dem Rucksack reisen gehen, am Wochenende spontan nach Berlin fahren. Jahrzehnte lang mussten sie das für uns Kinder zurückhalten, haben unglücklich geheiratet und einen klassischen Lebensentwurf gewählt, der sie auf lange Sicht nicht glücklich gemacht hat. Jetzt brechen sie aus ihrer gewählten Isolation aus – und ich bin stolz auf sie. Ich sehe, dass viele andere Eltern in ein großes Loch fallen, sobald die eigenen Kinder aus dem Haus sind. Sie haben keine Aufgabe und keine Hobbies mehr… nicht selten haben sie sich auch nichts mehr zu sagen. Das möchte ich nicht.

Ich weiß nicht, ob mir mein Weg auf lange Sicht das bessere Leben verspricht. Aber ich wünsche es mir.