Klimaschutz bedeutet Verzicht: Die Tugend der Zukunft lautet „Genügsamkeit“

Wenn wir in Deutschland wie geplant in 20 Jahren klimaneutral leben wollen, braucht es mehr als neue Technologien: Es braucht vor allem mehr Genügsamkeit. Denn ganz ohne Verzicht wird Klimaschutz nicht funktionieren können.

Dieser Ansicht ist Tobias Pastoors in einem aktuellen Debattenbeitrag des Deutschlandfunk Kultur. Genügsamkeit müsse ihm zufolge als eine persönliche Haltung verstanden werden. Der Weg zur Klimaneutralität wird nämlich mit gewissen Einschränkungen einhergehen, die wir akzeptieren müssen, wenn wir den Planeten erhalten wollen.

Damit die Politik auch sinnvollen Klimaschutz betreiben kann, braucht es Wähler, denen der Verzicht auf so manch klimaschädliches Produkt nichts ausmacht. Denn der Überschuss, in dem wir uns aktuell befinden, geht auf Kosten des Planeten und zukünftiger Generationen.

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass: Dieses Verständnis von Klimaschutz wird leider nicht reichen.

Tobias Pastoors

Viele leben in Luxus und wissen es nicht einmal

Technische Innovationen zur Klimaneutralität sind laut Pastoors zwar wichtig, wir dürften aber nicht alles darauf setzen: Nicht alles, was wir uns wünschen, ist nämlich auch technisch umsetzbar. So stuft der Weltklimarat die Emissionen, die durch den Flugverkehr entstehen, als „schwer zu verhindern“ ein und von emissionsfreien Flugzeugen sind wir noch weit entfernt. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine andere Lösung für dieses Problem gäbe. Wir könnten uns nämlich auch einfach dazu entscheiden, weniger zu fliegen.

Klimaschutz durch Genügsamkeit beinhaltet also den Verzicht auf umweltschädliche Urlaubsreisen ans andere Ende der Welt. Für eine Flugreise in die Karibik müssen deutsche Arbeitnehmer im Durchschnitt eine ganze Woche arbeiten: Stattdessen könnte man auch nur in Teilzeit arbeiten. Dann müsste man nicht erst auf den Urlaub warten, um sich eine Pause von der Arbeit zu gönnen. Außerdem könnte man so eine völlig neue Wertschätzung für den Park nebenan oder die beschaulichen Ecken der eigenen Heimatstadt entwickeln.

Nun mag es aber niemand von uns, wenn ihnen jemand anderes sagt, was sie tun und lassen sollen: Wir verzichten nur ungern auf den Luxus, den wir haben – und fliegen ist definitiv ein Luxus. Selbst heute sind rund 80 Prozent der Weltbevölkerung noch nie geflogen. Ganz zu schweigen davon, dass wir uns während der gesamten Menschheitsgeschichte nie vom Fehlen des Flugzeugs haben aufhalten lassen, wenn wir von A nach B wollten.

Sind wir auf der Suche nach dem Glück falsch abgebogen?

Die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Deutschland ist laut Statistischem Bundesamt seit der Wiedervereinigung um fast 40 Prozent gestiegen. Dies führt zu einem erhöhten Verbrauch von Baumaterialien und Energie – besonders im Winter, wenn diese großen Innenräume geheizt werden müssen. Nicht zu Unrecht stellt Pastors also die Frage: „Hat denn schon mal jemand verkündet, dass Wohnungen in den 1980er-Jahren in Deutschland grundsätzlich viel zu klein waren und man darin kein gutes Leben führen konnte?“

Aber dort hört der Größenwahn noch nicht auf: Zusätzlich dazu fahren wir in Deutschland auch immer größere und schwerere Autos. Wir kaufen im Durchschnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr, zwölf von denen werden nie getragen. Warum wollen wir also immer mehr? Mehr Konsum führt nicht unbedingt zu mehr Glück, das belegen auch zahlreiche Studien zur Glücksforschung.

Nicht alle profitieren davon, doch alle werden darunter leiden

Wir müssen aber auch differenzieren können, denn nicht alle Menschen in Deutschland leben in einem solchen Überfluss. Wie Pastoors in seiner Ausführung richtig ergänzt, gibt es nämlich immer noch viele Menschen, die nach einer Wohnung suchen oder in beengten Verhältnissen leben. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft wohnt in den Großstädten jede dritte Familie in einer zu kleinen Wohnung und Student*innen ziehen immer später von zu Hause aus, weil sie sich die hohen Mieten nicht leisten können.

„Um zu Klimagerechtigkeit zu kommen, müssen wir diese Probleme als Gesellschaft genauso sehen wie den klimaschädlichen materiellen Luxus, an den sich der Durchschnittsdeutsche gewöhnt hat“, schreibt Pastoors weiter. Genügsamer Klimaschutz bestünde in den Dingen, die wir zukünftig einfach sein lassen.

Nichts tun ist oft ein riesiger Schritt für das Klima.

Tobias Pastoors

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Bild: © Markus Spiske via Pexels