Zwischen Hobby und Beruf: Warum Gaming-Influencer nicht der Traumberuf ist, von dem alle reden
Geld dafür bekommen, sich beim Zocken von Videospielen zuschauen zu lassen: Der Job als Gaming-Influencer klingt leicht und für viele junge Menschen nach einem Traumjob. Doch der Anschein kann auch trüben.
Eileen ist vor allem unter ihrem Streamerinnen-Pseudonym „Kunshikitty“ bekannt. Auf Twitch folgen ihr schon über 190.000 Menschen, die ihr unter anderem beim Livestreaming von Videospielen zuschauen. Wie sie das geschafft hat? Eileen erklärt sich dies durch die besondere Beziehung, die sie zu ihren Fans hat. „Ich denke, dass beim Live-Streaming eine ganz besondere Bindung zwischen Zuschauer und der Person, die in die Kamera spricht, entsteht“, sagt sie gegenüber der Tagesschau.
Das ist nicht nur Marketing-Gerede, dahinter steckt das Konzept der „parasozialen Beziehung“. Ob es sich um Nachrichtensprecher*innen, Schauspieler*innen, Youtuber*innen oder eben Streamer*innen handelt: Mit der Zeit kann bei uns das Gefühl entstehen, mit unserem Idol befreundet zu sein. Immerhin sehen wir sie*ihn regelmäßig und folgen ihr*ihm vielleicht sogar auf Social Media, wo wir das Gefühl haben, ganz persönliche Eindrücke von dieser Person zu bekommen. Dabei vergessen wir aber leicht, dass wir unserem Idol zwar nicht komplett egal sein dürften (schon rein aus geschäftlicher Perspektive), aber von einer echten Freundschaft sind wir da noch weit entfernt.
Der Beginn einer noch recht jungen Profession
Montana Black und Gronkh gehörten zu den ersten, die das Live-Streaming von Videospielen in Deutschland angefangen haben. Ihnen ist es maßgeblich mit zu verdanken, dass diese Form der Unterhaltung überhaupt populär geworden ist – und sich damit Geld verdienen lässt.
Ihr Erfolg hat viele ihrer Zuschauer dazu gebracht, die gleiche Karriere einschlagen zu wollen: Darunter die streamenden Zwillingsschwestern Janine und Nadine, die auf Twitch als „HappyZwillinge“ bekannt sind. Die beiden sind bekennende Gronkh-Fans und streamen sich selbst unter anderem beim Spielen von Videospielen. Nebenbei unterhalten sie sich auch mit ihren Followern über gemeinsame Interessen. Auf ihrem Twitch-Kanal haben sie bereits über 2.500 Follower, davon leben können sie aber noch nicht – es bleibt also erstmal ein Hobby.
Aber immerhin ist es ein Hobby, bei dem sie mit Leidenschaft dabei sind: „Wir haben Spaß daran, Leute zu unterhalten und von unserer Spielbegeisterung zu erzählen“, sagen die beiden. „Man muss sich natürlich ein bisschen abheben von anderen, weil es schon sehr viele Gaming-Creator gibt. Was bei uns sehr gut ankommt, ist, dass wir Zwillinge sind.“
Der Erfolg von Livestreaming ist nicht unbemerkt geblieben
Die Gaming-Industrie hat schon vor langer Zeit erkannt, dass Influencer ein wertvolles Marketing-Tool sein können. Influencer-Marketing sei das effektivste Mittel, um Spiele bekannt zu machen und Begeisterung zu wecken, sagt Felix Falk, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Games-Branche. Einige Unternehmen würden daher sogar ihr gesamtes Marketing-Budget in solche Kooperationen stecken.
Mithilfe von Influencern können Games-Hersteller auf ganz authentische Weise öFFENTLICHKEIT machen für ihre Spiele, Begeisterung dafür entfachen.
Felix Falk
Für viele Streamer*innen und YouTuber*innen bilden Sponsoren und Werbedeals wichtige Einkommensquellen, um die eigene Karriere am Laufen zu halten. Von den Streams allein können nämlich nur die wenigsten gut leben. Das ergab ein Leak aus dem Jahr 2021, der von MeinMMO aufgegriffen wurde. Daraus ging hervor, dass nur 6 von 10.000 Streamer*innen ein Einkommen erzielen, das dem US-amerikanischen Median-Einkommen entspricht.
Manoucher Shamsrizi, Mitgründer des gamelab.berlin, sieht die Verstrickung von Industrie und Influencern aber auch kritisch: Viele Gaming-Influencer würden inzwischen weitaus länger über Produkte reden, für deren Vermarktung sie bezahlt wurden, als über das eigentliche Spiel. Dies sei früher noch anders gewesen und werde in der Community zum Teil auch kritisch gesehen, so Shamsrizi.
Lohnt es sich überhaupt noch, damit anzufangen?
So wie auch die Trennung von privatem und öffentlichem immer mehr verschwindet, weil wir alles auf Social Media hochladen, so verschwindet auch die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Immer wieder heißt es, man solle sein Hobby zum Beruf machen: Aber ist das so schlau?
Einem Hobby können wir auch dann noch nachgehen, wenn es keinen Gewinn abwirft. Es muss sich nicht wirtschaftlich rentieren, um eine Daseinsberechtigung zu haben. Wird es beruflich, wäre das Ausblenden des Kosten-Nutzen-Faktors wiederum schlechte Geschäftspraxis.
Will ich mir also Gedanken darüber machen müssen, welche Spiele bei meinem Publikum am besten ankommen werden? Oder will ich einfach nur das zocken, worauf ich Lust hab? Mit letzterem komme ich womöglich nicht allzu weit, ersteres macht aber nicht immer Spaß.
Will ich darauf angewiesen sein, meinen Followern Produkte und Spiele anzudrehen, die ich unter anderen Umständen nie empfehlen würde? Wenn ich zu wählerisch bin, wird mir eine Menge Geld abhanden kommen – Geld, das ich nicht einfach so durch Streams bekommen werde. Mache ich zu viel Werbung, werden sich meine Zuschauer*innen veräppelt vorkommen und das war es dann mit der Reichweite.
Es schimmert schon durch: Es gehört mehr dazu, Gaming-Influencer zu sein, als es den Anschein hat. Ob man den Sprung von Hobby zu Beruf wagen will, kann man nicht mit einem plumpen ja oder nein beantworten. Man kann den Durchbruch auch dann noch schaffen, wenn man nur das tut, worauf man Bock hat – garantiert ist das aber nicht. Im schlimmsten Fall kann die Monetarisierung eines Hobbys es einem sogar komplett vermiesen.
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