„Von teurem Krempel lasse ich mir nicht die Zeit stehlen“

Von Gidon Wagner

Wenn wir nicht aufpassen, wird das Leben zu einem endlosen Update. Man will bekanntlich immer genau das, was man (noch) nicht hat. Und was man (noch) hat, kann man mehr oder weniger gut gebrauchen, sich lang oder kurz dran freuen. Vom iPhone über die Smart Home-Waschmaschine bis zum neuen Auto gibt es unterschiedliche Grade an Vorfreude, Zufriedenheit und echtem Nutzwert. Irgendwie kommt aber ein Generalverdacht auf: Produkte machen nicht glücklich. Alles was man will, hat man irgendwann satt. Nichts Neues? Warum zentrieren wir unser Leben dann weiter um den ganzen Krempel?

 

Upgraden

 

Als ich vor einigen Jahren einer der ersten iPhone-Besitzer war, war ich noch neugierigen Fragen und neidischen Blicken ausgesetzt. Irgendwann holte ich das Gerät in der Öffentlichkeit nicht mehr aus der Hosentasche. Oder nur noch dann, wenn jemand in der Nähe war, den ich beeindrucken wollte. Als Journalist auf der damaligen Münchner Luxusmesse fragte mich ausgerechnet einer der Veranstalter, fast gierig: „Ist das ein iPhooone?“. „Ja, das ist eins“, antwortete ich, als wäre es das Normalste der Welt. Das Gerät hatte schon ein wenig seines anfänglichen Charmes für mich verloren. Ich aber hatte mir vor dem Kauf allen möglichen Quatsch ausgemalt, wie das Leben mit dem Ding werden würde. Am Ende – sechs Jahre später – sollte ich in einem Handyshop gierig über dem niegelnagelneuen 6er-Model hängen, mit gefühlt achtmal so großem Display. Und das Design … mmmh.

 

Alles geht kaputt und wird langsamer

 

Damals, 2008, hatte ich einen 100 Euro teuren Vertrag in Kauf genommen, um das Gerät nutzen zu können. Heute denke ich im Handyshop sattdessen an ein Downgrade des Tarifs, treffe Vernunftsentscheidungen und verzichte zunächst auf eine Vertragsverlängerung. Statt mit neuem iPhone laufe ich mit einem mehrseitigen Formular für den günstigeren (immer noch viel zu teuren) Vertrag nach Hause. Das alte tut’s doch noch. Ist auch ’ne Preisfrage. Und irgendwie ein Witz. Ja, ich gebe zu, ich telefoniere noch mit einem iPhone 4s. Ich weiß mittlerweile genau so viel von diesen Geräten, dass ich verstehe: sie werden gebaut, um irgendwann ersetzt zu werden. Dabei kann mir keiner erzählen, dass die ganze Software tatsächlich in so regelmäßigen Abständen genau um den Wert mehr Platz einnimmt, wie die Smartphone-Hersteller gerne neuen Festplattenspeicher in ihren technischen Wunderwerken verkaufen möchten. Jetzt kommen die smarten Geräte der nächsten Generation – die Wearables. Computer-Uhren, -Brillen und sonstige Accessoires, die das Smartphone vielleicht irgendwann ablösen. So ein Zufall! Gerade wurde die ganze Sache mit dem iPhone langweilig. Jetzt gilt es also, bald den nächsten Schritt zu gehen.

 

Viele Dinge benutzt man, als wären sie ewig haltbar, als würden sie nie kaputt gehen. Dabei sind sie darauf ausgelegt, demnächst den Geist aufzugeben. Wer sein Auto zum Beispiel nicht brav zum jährlichen Winter-Ceck schleift, riskiert, bald wieder Fahrrad fahren zu müssen. Andersrum, wer sich besonders engagiert darum kümmert, dass etwa sein Computer oder Smartphone immer auf dem neusten Stand gepflegt bleibt, der holt sich bisweilen Ärger ins Haus. Mein erstes Auto hat an Wert verloren, weil ich auf den jährlich Check verzichtet habe, mein zweites iPhone gab am Ende des Geist auf, weil es auf dem neusten Stand mit all seinen Ansprüchen an die Hardware war. Es scheint in diesem Fest des Konsums nicht zu reichen, sich reichlich mit mehr oder weniger nützlichen Errungenschaften einzudecken. Man muss sein komplettes Leben auf den ganzen Kram ausrichten.

 

Downgraden

 

Ein befreundeter Unternehmer, bei dem es beruflich schon steil bergauf und dann genauso steil bergab ging, hat es einmal so auf den Punkt gebracht: „Von Sportwagen, Haus und teurem Krempel lasse ich mir nicht mehr die Zeit stehlen. Das können andere machen. Ich mache in jeder freien Minute Musik oder gehe auf Foto-Tour. Die ganzen teuren Sachen und Standards rauben einem die Zeit durch ihren Preis. Auf mehr Arbeiten nur für Dinge und Zeug habe keine Lust mehr.“

 

Nicht haben zu wollen macht zufrieden  

 

Das Zynische am Haben und Wollen ist aber, dass es nur scheinbar glücklich macht, etwas schließlich zu bekommen. Was wirklich gut tut, ist  – und sei es nur für zehn Minuten – mal nichts Neues haben zu wollen. Das erlebt man immer dann, wenn man gerade eine Stufe nach oben geklettert ist auf der „sich-was-gönnen-Leiter“. Man packt den großen Flachbildfernseher aus und freut sich über das Entertainment-Wunderwerk. Geil, da steht er. Was kann er? Tolles Bild! Für kurze Zeit will man nicht mehr als das, was man schon hat. Ein paar Tage später – wie bei meinem iPhone und fast wie beim ersten Auto – ist schon etwas Normalität eingekehrt. Vielleicht hat sich der Mitbewohner sogar ein paar mal die Fernbedienung gekrallt und Dinge geschaut, die einem so gar nicht gefallen haben. Vielleicht kam einem aber auch schon eine neue Idee: an den großen Bildschirm könnte man doch perfekt eine dieser Play-Box-Dinger koppeln. Das muss her! Der Will-ich-haben-Modus ist wieder da. Der neue Fernseher ist es nicht mehr, der die Lücke zur Glückseligkeit schließt. Es wird noch viel kommen. Ich freue mich immer weniger drauf.

 

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Bildquelle: Josué Goge unter CC BY 2.0