Verschiedene Drogen auf einem Tisch

Kontrollverlust: Sucht und Leid in den wilden 20ern

„Ich hab die Kontrolle über mein Leben verloren“ ist ein Satz, der im spaßigen Sinne inflationär genutzt wird. Wahrscheinlich kommen diese Worte so ziemlich jeder Person um die 20 hin und wieder über die Lippen. Aber ist ja alles nur Spaß – oder?

Kurze Info: Dieser Artikel ist mitten in einer von schwierigen Emotionen geprägten Nacht entstanden und könnte ziemlich harter Tobak sein. Er ist eine Momentaufnahme und spiegelt eine Stimmung wieder, keine Einstellung. Für viele ergibt er vielleicht keinen Sinn, aber er ist ehrlich – und für diejenigen, für die er Sinn ergibt, ist er vielleicht umso wichtiger.

Wenn wir sagen, dass wir etwas nicht unter Kontrolle haben, beziehen wir uns darauf, dass wir mal wieder mehr Geld ausgegeben haben als wir eigentlich wollten; dass wir verpeilt haben, mit dem Lernen für die Prüfungen anzufangen; dass wir plötzlich schon im 9. Semester sind, obwohl die Regelstudienzeit doch nur sechs Semester vorsieht.

Trotzdem ist es letztendlich scherzhaft gemeint. Aber wie das eben so ist, steckt in fast jedem Spaß ein bisschen Ernst. Und wenn man dann tatsächlich mal einen ernsthaften Blick auf sein Leben wirft, fällt vielleicht auf, dass gar nicht so viel Spaß und stattdessen doch ein bisschen mehr Ernst in dieser Aussage steckt als vermutet.

Planlos und pleite

„Die Gelder fließen, die Tränen auch – woher sie plötzlich kommen, weiß niemand so genau“, singt Henning May im Song Gegenwart. Und obwohl sich die Zeile auf etwas vollkommen anderes bezieht – nämlich auf die Corona-Krise – passt sie doch auch zu dem Phänomen, das in diesem Artikel thematisiert werden soll. Das Gefühl, dass Dinge passieren, von denen man nicht weiß, weswegen sie passieren. Wo ihr Ursprung liegt. Dinge, die man nicht geplant hat; über die man keine Kontrolle hat.

Der Verlust von Kontrolle ist häufig Fluch und Segen zugleich. Ich glaube, dass viele Menschen sich in ihren Zwanzigern gewissermaßen nach Kontrollverlust sehnen, weil es einige Hinsichten gibt, in denen die Zwanziger einem abverlangen, mehr Kontrolle zu übernehmen. Und eben das ist es, was einem häufig so viel abverlangt, dass man manchmal einfach die Kontrolle verlieren muss.

Das Geld auf unseren Konten schwindet dahin und wir haben keine Ahnung, wohin genau es sich eigentlich verflüchtigt. Wir fangen an zu weinen und wissen nicht wirklich, weswegen. Wir probieren uns aus, aber nicht auf die gemäßigte Art und Weise; nicht auf die Art und Weise, bei der trotzdem noch alles im Rahmen bleibt.

Sucht und Leid

Drogen, von denen unsere Eltern uns unser ganzes Leben lang gesagt haben, dass wir sie nicht ausprobieren sollen, bleiben nicht länger unsere Feinde, sondern werden zu unseren Freunden. Ihre berauschende Wirkung sorgt dafür, dass es nicht bei einem oder zwei Malen bleibt. Die Reizüberflutung des Rauschzustandes lässt uns die Kontrolle über den Konsum verlieren.

Dabei geht es nicht nur um Drogen im klassischen Sinne. Es geht um jegliche Produkte, Aktivitäten, Gefühle, nach denen wir süchtig werden. Die es schaffen, den Schmerz und den Druck, die beide tief in unserem Inneren sitzen, für eine Weile zu betäuben.