Verschiedene Drogen auf einem Tisch

Kontrollverlust: Sucht und Leid in den wilden 20ern

MDMA, Techno, Fetisch-Partys. Sex, Glücksgefühle, Verlorengehen im Freudentaumel der Menschenmengen. Marihuana, Fressflashs, Flucht nach vorn durch die Stadt bei Nacht. Wein beim Späti um die Ecke, Blick über die Dächer, Döner beim Nach-Hause-Laufen um vier Uhr morgens. BDSM, Pornos, Twitter. Zugtickets, Flugtickets, die Gewissheit: „Hauptsache weg von hier“.

Wir verlieren die Kontrolle und werden süchtig – nach ganz unterschiedlichen Dingen, die unterschiedliche Ressourcen von uns einfordern. Die wahre Liebe, jugendliche Naivität, aufrichtige Freude. Wir müssen immer zahlen. Wir müssen immer etwas opfern. Oft ist es auch Geld.

Wir kaufen Alkohol, Ecstasy, Rausch, Exzess, Style, Sex, Glück, den Kick. Die vorläufige Befreiung vom Leid des Lebens, das allzu oft unterschwellig mitschwingt. Wir kaufen Ruhelosigkeit, Rastlosigkeit, Schlaflosigkeit.

Wir kaufen CBD, Cannabis, Schmerzmittel, Meditationsapps und Yogakurse, Schlaftabletten. Wir kaufen Beruhigungsmittel, das Runterkommen, Schlaf.  

Wir kaufen das Überleben.

Affektkontrolle? Von wegen

Noch viel entscheidender als der Verlust der Kontrolle über das, was wir konsumieren, ist der Verlust der Kontrolle über unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und unsere Emotionen. Das Entgleisen von Gefügen und Gefühlen, die zuvor in geregelten Bahnen verlaufen sind.

Wir verlieren die Kontrolle über unsere Beziehungen – in mehreren Hinsichten. Entweder lassen wir den Dingen ihren Lauf, anstatt sie selbst in die Hand zu nehmen, bis es zu spät ist; bis die Flucht davor, Kontrolle auszuüben, dazu geführt hat, dass wir jemanden verloren haben.

Oder aber wir führen Beziehungen, die auf andere Art außer Kontrolle geraten, weiter – und werden Opfer dieser ungesunden Beziehungen, die eine Eigendynamik entwickeln, die zur Folge hat, dass wir noch weniger in der Position sind, Kontrolle auszuüben.

Wir empfinden so viel, ohne es zu wollen; ohne es kontrollieren zu können. Wir suchen uns nicht aus, wann eine Welle von scheinbar grundloser Wut über uns schwappt; eine Welle von scheinbar grundloser Angst; oder – wie in diesem Fall – eine Welle von scheinbar grundloser Traurigkeit. Melancholie.

Unsere Emotionen lenken uns mehr als wir sie lenken. Das ist beängstigend – und zwar jedes einzelne Mal, wenn es wieder passiert. Wenn wir wieder die Kontrolle verlieren.

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Bildquelle: MART PRODUCTION on Pexels; CCO-Lizenz