Khatera, 23, fand durch Mode ein zweites Zuhause

Mitten im Kreativquartier in München liegt die Werkstatt von Kuniri – hier wird jede Woche geschneidert, gestaltet und genäht. Bei dem Projekt arbeiten Geflüchtete Seite an Seite mit Schneidern und Designern und nähen eigene Werke und ganze Kollektionen. Kuniri wurde 2014 in München gegründet mit dem Ziel, Menschen die Möglichkeit zu geben, nach der traumatischen Fluchterfahrung ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Mittlerweile gibt es auch ein Atelier in Berlin. Die Teilnehmerin Khatera Ahmadi (links im Bild) und die Mitbegründerin der Akademie, Emine Capartas, haben mit ZEITjUNG über die Chancen und Probleme des Projektes gesprochen.

Khatera, wie bist du zu Kuniri gekommen?

Khatera: Ich bin vor zwei Jahren mit meinem Mann aus Afghanistan gekommen. Genau weiß ich es nicht mehr, aber ich glaube ich habe hier zwei Monate gewohnt, bis ich zu Kuniri kam. Ich habe das Angebot über das Internet gefunden.

Was hast du für Erfahrungen in dem Atelier gemacht?

Khatera: Es war so schön, vor allem weil ich es liebe, zu lernen. In meinem Herkunftsland dürfen Mädchen häufig nicht zur Schule gehen – so war das bei mir auch. Dass ich dann hier einen Ort gefunden habe, an dem so viele Menschen gemeinsam arbeiten und lernen, das hat mir sehr gut getan. Außerdem habe ich es schon immer geliebt, zu schneidern.

Emine: Wir fangen unsere Kurse meistens damit an, dass alle Teilnehmer kleine Stofftäschchen nähen, so können wir dann einschätzen, wer schon wie viel kann und die Menschen nach ihrem Können individuell fördern. Nach dem Abschluss der Ausbildung bei uns an der Akademie bekommen die Teilnehmer ein Zertifikat von der Handwerkskammer. So etwas ist in Deutschland einfach wahnsinnig viel wert.

Welche Rolle hat Kuniri bei der Ankunft in Deutschland für dich gespielt?

Khatera: Am Anfang war ich total verzweifelt in Deutschland. Ich habe einmal beispielsweise Nähnadeln gesucht. Dafür bin ich dann in so viele Läden gelaufen und wusste einfach nicht, wen ich fragen soll und wo ich schauen soll. Ich bin dann total enttäuscht zu meinem Mann gegangen und meinte: „Ich glaube, in Deutschland gibt es keine Nadeln.“ Ich glaube, jeder Mensch braucht Hilfe, wenn er in ein fremdes Land kommt. Mir hat Kuniri diese Hilfe gegeben. Auf einmal ist da jemand, an den du dich wenden kannst, der dir weiterhilft. Man lernt hier so viele neue Leute kennenlernen und geht zusammen auch mal zum Essen. Ich fühle mich sehr wohl in der Werkstatt.

Emine: Das war auch immer die Grundidee für Kuniri. Kuniri bedeutet gemeinsam gehen, wir wollten den Menschen einen Ort geben, wo sie einfach sein können. Es ist für mich auch jedes Mal wunderbar zu sehen, wie eine bunte Mischung an Menschen zusammen arbeitet und so Schönes schafft. Das ist auch für viele hier eine völlig neue Erfahrung.

Was war der schönste Moment bei Kuniri?

Khatera: Ich könnte keinen einzelnen Moment sagen. Einfach das Gefühl, dort ein Zuhause gefunden zu haben.

Emine: Für mich war es der Moment, als eine unserer Designerinnen bei einer Veranstaltungen auf die Bühne ging, auf der ihre Tochter gerade ihr gestaltetes Outfit vorgestellt hat. Alleine, dass sie sich getraut hat, auf die Bühne zu gehen, hat mich so stolz gemacht!

Warum glaubt ihr helfen kreative Tätigkeiten Menschen so oft dabei, negative Erlebnisse zu überwinden?

Emine: Weil es Meditation ist. Alleine der Akt, etwas zu erschaffen, ist Meditation. Du hast plötzlich etwas in der Hand, etwas Konkretes, nicht nur eine Idee. Das kann sehr heilsam sein, denke ich.

Khatera: Ich weiß es aus meiner eigenen Erfahrung. Ich war immer krank und sehr unglücklich, als ich nach Deutschland kam. Dann hab ich angefangen, mich hier in der Werkstatt einzubringen und auch privat viel zu nähen und jetzt geht es mir viel besser. Ich habe Freunde gefunden und bin glücklich mit meinem Leben.

Und wie geht es jetzt weiter?

Khatera: Ich gehe gerade noch zur Schule und arbeite nebenher im Lager bei einer Modekette. Danach möchte ich eine Ausbildung zur Arzthelferin machen. Nähen werde ich trotzdem auch weiterhin, aber vor allem für mich selbst und vielleicht ein paar Hemden für meinen Mann.

Emine: Bei Kuniri hängt es maßgeblich davon ab, wie unsere Crowdfunding Kampagne läuft. Ich habe vor einigen Jahren mal einen privaten Aufruf gestartet, damit wir die Fahrtkosten für diejenigen finanzieren können, die zwar gerne kommen würden, aber das Geld nicht zahlen konnten. Damals hat es gut funktioniert – ich wünsche mir einfach so sehr, dass es dieses Mal wieder so läuft.

Hier der Link zur Crowdfunding Seite.

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Bildquelle: Dajana Kollig für ZEITjUNG