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Wegwerfmentalität: Wir müssen uns mal über Müll unterhalten

Es hat schon was von Slow Motion – wenn mein Blick den Moment verfolgt, an dem der To-Go-Kaffeebecher auf den vollgestopften Müll trifft. Dieser „Mir-doch-scheiß-egal-wo-dein-Weg-dich-hinführt“-Move, der symbolisch für unsere Konsumgesellschaft steht. Zurück an ihrem Platz packt besagte Mitstudentin daraufhin ihre, in mundgerechte Würfel geschnittene Obstmischung aus, in praktischer Plastikverpackung, inklusive Einmalgabel. Und zack, da landet sie wieder im Müll, der mittlerweile zu einer Pyramide mutiert ist, die jeden Moment ihre Spitze zu verlieren droht.

Wann hört unsere Ignoranz auf?

Diese und andere Szenen begegnen mir fast täglich – und ohne mich hiermit auf die Seite der Umweltretter katapultieren zu wollen – muss ich doch feststellen, dass es da einige Unterschiede im Verhalten meiner Mitmenschen gibt. Auf der Mädelstoilette musste ich kürzlich beobachten, wie ein Mädl bei 27°C Außentemperatur 8 Einweg-Papiertücher nahm, sie über ihre Hände streifen ließ, 5 von 8 landeten quasi unbenutzt im Müll und eins nahm sie gleich hinterher, um die bakterienübersähte Türklinke damit anzufassen. Yep – the struggle is real. Ich verließ die Toilette und schwor mir, meine Hände ab jetzt komplett an der Luft trocknen zu lassen – gar nicht so schwierig, wenn wir öfters mal das Bewusstsein für das Alltägliche schärfen. Wir neigen nämlich dazu, Alltagshandlungen nicht mehr zu überdenken. Wir haben viele Handlungen so dermaßen verinnerlicht, dass wir gar keinen Gedanken daran verlieren, ob das, was wir da gerade fabrizieren, wirklich in dem Ausmaß notwendig ist. Dabei sollten uns die ständigen Nachrichten und Bilder über systematisches Wegwerfen, Umweltverschmutzung und Lebensmittelverschwendung doch im Innersten treffen, uns denken lassen „Fuck, ich muss endlich aufhören, das alles zu verdrängen.“

Oder wird unsere Ignoranz durch die ständige Konfrontation immer größer?

„Lass liegen“

Der Titel „Lass liegen“ von Alligatoah trifft die Wurzel des Problems. Kurz und bündig spielt er mit den zwei Worten nämlich auf ein Sache an, die wir alle gemeinsam unterstützen: Das große Wegwerfen. Ausgelassen wandelt er im Musikvideo durch die Weltgeschichte, hinter sich herziehend eine dicke fette Müllspur, aus der alle möglichen Kleinteile rechts und links nur so herausquillen – über Wiesen, Wälder, Straßen, ja sogar durch’s Wasser watet er – auf dessen Oberfläche sind die Fische bereits verendet. Die Müllspur ist einem Ölfilm gewichen.

„Ich lass es lieber liegen, lieber neue Waren statt verwahren“

Es wäre eine Lüge, zu sagen, dass wir alte Dinge lieber nochmal mühsam aufpolieren, bevor wir uns neue zulegen. Der neue Flachbildschirm, die Kamera, das Handy, der noch funktionalere amerikanische Kühlschrank mit zwei Türen – und der alte? Der landet irgendwann auf einer Müllkippe im tiefsten China, auf der Kinder barfuß die letzten brauchbaren Einzelteile suchen. Eigentlich können wir den Gedanken nicht ertragen, doch ist der noch weit genug weg.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich beim Thema Lebensmitteln: Das Haltbarkeitsdatum wird immer noch mit mit einer nie dagewesenen „Ab dem XY.XY.20XY nicht mehr genießbar und gesundheitsgefährend“ – Warnung verwechselt, und überhaupt hat der Kühlschrank ja auch nur ein bestimmtes Fassungsvermögen. Hungrig einkaufen gehen endet sowieso nie gut – ein Großteil landet im Müll, denn der hat kein Sättigungsgefühl, denkt wir. Ab auf die bald umstürzende Pyramide damit und vergessen.

Sinne sind etwas Wunderbares – nutzt sie gefälligst!

Lasst uns wieder unsere Sinne nutzen, lasst uns à la Oma und Opa den Joghurt auf Aussehen, Geruch und Geschmack testen. Wir verlassen uns doch auch sonst auf unser eigenes Urteilsvermögen – ja, auf unser Bauchgefühl. Lasst uns den Wegwerf-Wahnsinn stoppen, denn der hat, wie uns zum Beispiel die große Studie des WWF „Das große Wegschmeißen“ bereits aufgezeigt hat, Ausmaße angenommen, die uns nicht mehr nur erschlagen, ja sie sind zertrümmernd. Die Umweltorganisation Greenpeace hat im letzten Jahr diverse Lebensmittel einem Test unterzogen, um diesem – ja ich will schon fast „Mythos“ des Mindesthaltbarkeitsdatums sagen – den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der getestete Naturjoghurt war nach 26 Wochen immer noch genießbar. Natürlich trägt auch die Lebensmittelindustrie Schuld, die offensichtlich völlig realitätsferne MHD’s bastelt, aber wir können durch unser eigenes Verhalten gegen diesen Wahnsinn vorgehen. Wir können auf diese verflixt unnötigen To-Go-Becher verzichten und stattdessen Pfandsysteme nutzen, wir können in Zero-Waste Läden stöbern, die Plastiktüte beim Obstkauf weglassen und unser eignes Obst zum Mitnehmen schneiden. Lasst uns im Supermarkt einzelne Bananen retten, die sonst skrupellos zu Unzähligen als Singles im Müll entsorgt werden – und das nur, weil uns neben der angeblich längeren Haltbarkeit am Strunk mal irgendeiner den Flo ins Ohr gesetzt hat, Bananen am Strunk zu kaufen wäre ja so viel praktischer. Haltet sie einfach fern von anderen Obstgenossen im Obstkorb und gebt ihnen einen eigenen kühleren, geschützten Platz. Lasst uns bei Clean Ups mitmachen und den neuen Trend Plogging in unser Fitnessprogramm integrieren.

Es gibt so unfassbar viele Möglichkeiten, Müllpyramiden am Umstürzen so hindern und ich bin mir sogar sicher, dass wir die meisten davon kennen.

„Wie ein Boom-boom-boom-Boomerang, ruf‘ ich in den Wald, aber vergess‘, dass der auch rufen kann.“

Ich hoffe nicht, dass der Wald, wie Alligatoah in seinem Song zum Besten gibt, zurückrufen muss, damit wir verstehen, dass wir uns am Ende der Geschichte selbst schaden. Dann haut uns der Boomerang so richtig die Mütze weg. Aber soweit muss es nicht kommen.