L’aupaire: „Nach diesem Gefühl wird man richtig süchtig“
Jedes Jahr im August treibt das Sziget Festival als schwimmendes Mekka für Musikliebhaber aller Genres auf der Donau und ist ein magischer Ort für Publikum wie Künstler. Für Robert Laupert ist die Insel mehr als nur ein Festival – hier im Herzen von Budapest nahm Anfang 2013 alles seinen Anfang. Robert packte seine sieben Musikinstrumente und zog in die ungarische Metropole, um dort künstlerische Inspiration und sein musikalisches Ich zu finden. In einer kleinen Wohnung schrieb er seine Songs und lehrte sich selbst das Singen. Freunde scharrten sich um ihn herum und L’aupaire war geboren – der Beginn einer langen Reise, die die Band durch ganz Deutschland und sogar nach Amerika führte. Sie spielten in Flüchtlingsheimen, Hotels und mit vielen anderen Künstlern auf Tour. Ihre unvergleichliche Musik bewegt sich zwischen dem Soundtrack verwegener Roadtrips, der Klasse der alten Jazz-Schule, der Leichtigkeit amerikanischen Folks und der Verruchtheit vergangener Rocklegenden. Aber eines ist sicher – sie ist wunderschön.
Wir treffen Robert nach seinem Konzert an einem lauschigen Fleckchen auf dem Sziget Festival. Der Rest der Band ist hungrig und verabschiedet sich zum Abendessen. Robert bleibt bei uns. Um 20:00 Uhr hat es noch immer 33 Grad und nach seinem Auftritt ist er sicherlich genauso im Unterzucker wie seine Kollegen. Doch Robert strahlt und ist verdammt nett. Es ist uns eine Ehre.
Wir müssen dir etwas beichten, wir wurden spontan von Cro aufgehalten und konnten euer Konzert heute leider nicht anschauen. Was haben wir alles verpasst?
Puh – es war auf jeden Fall unfassbar heiß, das ist das Erste, was mir dazu einfällt. Es hatte um die 38 Grad und ich habe während des Konzerts bestimmt eineinhalb Liter getrunken und war seitdem kein einziges Mal auf dem Klo. Die Leute sind mit dem Schatten gewandert. Aber für dieses Wetter waren sie wirklich unglaublich aktiv. Wir waren auch überrascht, dass so viele da waren. Das hat uns richtig viel Kraft gegeben – schön war’s.
Budapest ist ein ganz besonderer Ort für dich. Hier hast du viel Zeit verbracht und deine musikalische Inspiration gefunden.
Ja, Budapest war schon immer ein besonderer Ort für mich. Meine Oma hat hier auch lange gelebt und wir waren jedes Jahr zu Besuch. Einige Jahre lang war das eher uninteressant für mich, aber als ich dann zum Musik machen gekommen bin, habe ich Budapest für mich wieder entdeckt und mich neu verliebt. Hier hatte ich mit die beste Zeit meines Lebens – kreativ gesehen und auch menschlich.
Was inspiriert dich so sehr an Budapest?
Ich liebe die Architektur und mag auch die Menschen hier sehr gerne. Das war immer ein sehr guter Ausgleich zum Musikmachen. Manchmal war ich auch wochenlang nur in meinem Zimmer und habe Musik gemacht. Wenn ich dann wieder rausging, hat mir der Flair hier neuen Input gegeben. Das war ein guter Mix.
Du bist ein wahrliches Ein-Mann-Orchester und spielst unglaublich viele Instrumente. Singen allerdings hast du dir erst 2011 selbst beigebracht. Wie schaffst man es, dass in so kurzer Zeit eine solch rauchige Rock’n’Roll-Stimme aus einem herauskommt?
(Lacht) Vielen Dank. Ich habe mich manchmal mit anderen Musikern getroffen und mir Tipps geben lassen. Aber das meiste habe ich mir selbst beigebracht, indem ich einfach jeden Tag gesungen und das aufgenommen habe. Ich habe damals mit Mikrofon und Laptop angefangen und immer wieder Songs geschrieben. Seitdem habe ich einfach nicht mehr damit aufgehört, und es wurde konstant immer besser. Und das Livespielen ist die beste Übung.
Ihr seid seit Kurzem bei Virgin Records unter Vertrag und habt auch schon einige Songs produziert. Wo liegt der Reiz bei Live-Auftritten und Studioaufnahmen?
Ich glaube, ich kann für alle sagen, wir spielen lieber live. Ich meine, es gibt auch schöne Momente im Studio, zum Beispiel letztens hier in Budapest: Da war ich auf so einer Minimalparty auf einem alten Sowjet-Tanker, weil ich beim Jeanskaufen einen Typen kennengelernt habe, der mich auf die Gästeliste gesetzt hat. Diese Party hat mich so inspiriert, dass ich ins Studio gegangen bin und das verarbeitet habe. Das, was ich dort geschaffen habe, hat mich dann so sehr geflasht, dass es sich angefühlt hat, als wäre ich auf natürlichen Drogen. Aber tendenziell gewinnt man die Energie wirklich mehr durch das Publikum, wenn man auf der Bühne steht. Wenn alles reibungslos läuft, kommt eine ganz besondere Energie zustande. Nach diesem Gefühl wird man richtig süchtig. Wir lieben es auch total, dass wir so viel live spielen. Wenn wir eine längere Zeit nicht spielen, vermissen wir es richtig und merken: Wir müssen wieder rausgehen.
Was hättest du gesagt, wenn dir letztes Jahr um diese Zeit jemand prophezeit hätte, dass du heute hier auf dem Sziget Festival auf der Bühne stehen wirst?
Also ich bin so ein Typ, der sich immer ganz viel visualisiert und sich viel erträumt und ausmalt. Von daher würde ich jetzt natürlich lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte mir das niemals vorstellen können. Ich habe es mir auf jeden Fall immer gewünscht und erhofft, aber ich hätte nicht unbedingt damit gerechnet, dass es so bald passieren würde. Und hier in Ungarn, und vor allem in Budapest, zu spielen, war immer ein Ziel für mich.
Welche drei Dinge willst du noch tun, bevor du stirbst?
Puh, nur drei? Da ist so vieles, das ich noch machen will (lacht). Also, ich würde auf jeden Fall gerne mal eine Strandbar schmeißen. So zwischen zwei Alben einfach mal ein halbes Jahr lang an einem Ort sein, wo Surfer sind und man Lagerfeuer macht und grillt und alle seine Freunde einlädt. Und ich würde gerne Kinder kriegen, das fände ich extrem wichtig und schön. Und ich würde mir gerne selbst einen Ort schaffen, an dem ich immer meine Batterien aufladen kann und weiß, da kann ich für die nächsten Jahrzehnte bleiben. Denn wenn man immer in WG’s oder Mietwohnungen wohnt, lässt man sich nie zu hundert Prozent nieder, weil es doch immer befristet ist. Ich habe allerdings auch gelernt, dass Besitz für mich gar nicht so wichtig ist, weil er auch immer mit viel Stress und Energieaufwand verbunden ist. Und ich würde gerne in der ganzen Welt Auftritte haben und mit meinen Freunden unterwegs sein.
Ist denn schon ein Album unterwegs, mit dem ihr wieder touren werdet?
Ja, das ist in Arbeit und wird nächstes Jahr rauskommen. Wir werden wahrscheinlich eine kompakte, größere Tour machen und ganz, ganz viele Festivals mitnehmen. Und den kompletten Herbst über wollen wir immer wieder Konzerte spielen. Wenn jetzt bald die Festivalsaison vorbei ist, werden noch einige neue Lieder entstehen.
Gibt es schon einen kleinen Vorgeschmack auf das neue Album?
Ich habe ja schon einiges in Budapest gemacht und werde viel davon in das neue Album aufnehmen. Dann kommen noch Einflüsse aus unserer Amerika-Zeit mit dazu. In L.A. habe ich zum Beispiel mit Mocky, einem großen Vorbild, zusammengearbeitet. Ich habe über die letzten Jahre auch sonst immer wieder Songs mit guten Freunden geschrieben. Es ist also genug Material vorhanden, und jetzt soll einfach das Beste von allem zu einem homogenen Etwas fusionieren und als erstes Album rausbracht werden. Und in Zukunft möchte ich auf jeden Fall mehr am Klavier machen.
Was steht heute noch so an?
Wir werden noch ein bisschen über das Festival flanieren und uns Alt-J ansehen und dann geht es morgen aber auch schon wieder weiter nach Gießen – wir spielen da auf einem Stadtfest zusammen mit unseren Freunden von OK Kid. Da haben auf Facebook schon über 2000 Leute zugesagt, das wird sicher eine ziemlich gute Party.
Du machst ja viel mit Freunden zusammen. Gibt es denn demnächst auch mal einen Song, den du zusammen mit OK Kid produzierst?
Ja, den wird es tatsächlich geben. Raffael, der bei OK Kid für die Beats verantwortlich ist, hat vor ein paar Tagen einen Remix von einem meiner Songs gemacht. Der wird aber morgen noch nicht performt werden. Aber wir trinken auf jeden Fall ein paar Bierchen zusammen.
Das klingt gut. Hast du sonst noch was auf dem Herzen?
Ja, wir sind diesen Herbst auch wieder auf Tour und da wird es auf jeden Fall einige neue Sachen von uns geben. Wir sind auch fleißig am Live-Videos basteln, es lohnt sich also die nächste Zeit auf jeden Fall zu schauen, was von L’aupaire alles so Neues kommt.
Fotos: Antonia Meißner