Liebe Politiker, lasst die Bullshit-Laberei und redet endlich Klartext!
Liebe Politikerinnen und Politiker,
ich mag euch. Wirklich. Ich studiere Politikwissenschaften und habe im Gegensatz zu vielen meiner Kommilitonen noch nicht aufgegeben. Für Systemtheorie, Policy-Analysen und Haushaltspläne kann ich mich erwärmen. Außerdem lese ich freiwillig die lange Version von Parteiprogrammen und werte mit Begeisterung empirische Studien zur Wählerforschung aus.
Woran ich mich aber nicht gewöhnen kann, ist eure unmögliche Art, zu sprechen. Egal, worum es geht, ihr schafft es, dass es gleichermaßen langweilig und kompliziert klingt. Wenn ihr zu einem Reporter sagt, dass ihr „mit einzuleitenden Maßnahmen ein positives Resultat hinsichtlich der Haushaltskonsolidierung erreichen“ wollt, frage ich mich, weshalb ihr nicht einfach daran arbeitet, am Ende des Jahres nicht im Minus zu sein. Allein das Wort Haushaltskonsolidierung sorgt dafür, dass jeder, der sich eben nicht mit dem Thema beschäftigt, sofort abschaltet und zwar aus zwei Gründen: Entweder man weiß nicht, was das bedeutet und hält es für irgendetwas Unwichtiges im Politikerzirkus – oder man weiß nicht, was das bedeutet und fühlt sich mal wieder in seiner Anti-Haltung gegenüber „denen da oben“ bestätigt.
Der faulenzende Politiker, der so redet, dass ihn kein Mensch versteht
Parteienforscher Jürgen Winkler beschreibt in dem Buch „Vergleichende Politikwissenschaft. Eine Einführung“, dass sich immer weniger Menschen mit einer Partei identifizieren, sich stattdessen daran stoßen, dass sie einen mittelständischen Hintergrund haben und nicht mehr wissen, wie es Menschen unterhalb davon geht. Sie nehmen Politiker als abgehoben wahr. Wenn ihr dann noch Wörter benutzt, die jemand ohne Grundwissen in Wirtschaftspolitik erstmal nachschlagen muss, ist auch klar, warum immer weniger Leute zur Wahl gingen, bis die AfD kam.
Die Populisten nutzen nämlich ganz klar dieses Bild der etablierten Parteien, die Vorstellung vom reichen, faulenzenden Politiker, der so redet, dass kein normaler Mensch ihn versteht. Sie nutzen Parolen, die so einfach sind, dass sie bei jedem hängen bleiben. Im Gegensatz zu euren verzweifelten Versuchen, uns zu erklären, was es mit der „Nettoneuverschuldung“ auf sich hat. Ihre Schlagrufe sprechen viele Menschen an, die es nicht mehr hören können, wie ihr leere Worthülsen von euch gebt, weil ihr aus parteipolitischen Gründen gerade leider keine Inhalte liefern könnt. Was meint ihr denn, warum so viele Leute vom Nicht-Wähler zum AfD-Wähler geworden sind? Weil ihr so einen guten Job gemacht habt damit, den Menschen zu erklären, was gerade im Land passiert, warum sie sich keine Sorgen machen, geschweige denn Angst haben müssen? Ganz sicher nicht!