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Lieber Ozean, es tut uns leid!

Von Apfel van Cooper

 

Lieber Ozean,

heute stehe ich vor der Welt und bin auf der Suche nach einer Antwort. Doch wenn ich dich so ansehe, wirfst du mehr Fragen in mir auf als alles andere. Du bist in meinen Augen das Gewaltigste und Schönste, das dieser Planet beherbergt. Mit deiner unglaublich brutalen Stärke, deinem unberechenbaren Temperament, deiner Anmut und Eleganz lässt du wütend deine Wellen an Steinküsten zerschellen, um am nächsten Tag versöhnlich in der Sonne glitzern. Du bist groß und tief – unfassbar – voller Geheimnisse, die trotz unseres absurd schnellen technischen Fortschritts nicht in Gänze gelüftet werden können. Sag mir doch eines, ist es Wissenschaft oder Panik?

 

Warum wollen wir dich nicht retten?

 

Forscher der Ellen MacArthur Foundation kommen in einer Studie zu einem erschreckenden Ergebnis: 2050 soll sich mehr Plastik in unseren Ozeanen befinden als Fische. Klimaforscher der ganzen Welt erstellen Modelle, welche die Komplexität unseres Klimasystems, einem vielschichtigen Gleichgewicht, erklären und voraussagen. Chemiker und Nobelpreisträger Frank Sherwood Rowland stellte eine entscheidende Frage: Was nützt es, eine Wissenschaft zu betreiben, die es uns ermöglicht Vorhersagen zu treffen, wenn wir nicht bereit sind mehr zu tun, als herumzustehen und darauf zu warten, dass sie sich bewahrheiten?

Wenn ich in die Wellen blicke, die sich vor meinen Augen brechen und in weißem Schaum aufgehen, dann könnten mir die Tränen kommen, weil ich nicht glauben kann, wie blind wir alle immer noch sind.

 

Du wirst uns wohl trotzdem alle überleben

 

Klimaskeptiker wehren sich krampfhaft dagegen, die durch uns Menschen verursachte CO2-Ausschüttung als Ursache für den Treibhauseffekt anzuerkennen –  mit der Begründung, es hätte halt schon immer Temperaturschwankungen gegeben. Sie gehen sogar so weit zu sagen, Windräder zur Erzeugung erneuerbarer Energien würden unsere Landschaften zerstören und dem Menschen durch Schattenbildung und Infraschall körperliche Schäden zufügen; das EU-Klimapaket wäre nur dazu da, um Strompreise ansteigen zu lassen und eine Verarmung der Bevölkerung zu provozieren.

Wie auffällig es doch ist – ganz gleich auf wessen Seite man steht – es geht in all diesen Diskussionen immer darum, dass der Mensch unter dem Klimawandel oder eben seiner Verhinderung leidet. Wir sind uns in einer Sache einig: dieser Planet wird uns alle überleben. Wir wissen um die Macht der Natur und der sich ihr gegenüber stellenden Fragilität der Erdbevölkerung. Wenn wir uns nicht vorher alle gegenseitig abknallen, wird es der Planet schon richten.

Lieber Ozean, ich weiß, du wirst dich nicht von ein paar verblendeten Menschen einkriegen lassen. Eher wirst du uns alle in deinen Wassermassen ersaufen lassen.

 

Du bist doch nicht unsere Müllhalde!

 

Rowland hatte Recht: Bereits im 19. Jahrhundert wurden Arbeiten veröffentlicht, die Beweise für die kontinuierlich fortschreitende Erderwärmung lieferten. 1973 gründet Captain Jaque-Yves Caustoud die Caustoud Society zum Schutz der Ozeane – ein Mann, der die Tiefen der Meere selbst erkunden musste, um zu verstehen was es heißt dich und deinen Planeten mit Respekt und Würde zu behandeln. Es war sein Sohn, der ihn auf das Sterben der Wale und der Korallen aufgrund von Verschmutzung und konsequenter Überfischung aufmerksam machte, sodass es ihm schlagartig unbegreiflich wurde, wie er und alle anderen jemals auf die Idee kommen konnten, dich als Müllhalde zu missbrauchen.

Beim Versuch zur Klärung der Schuldfrage geht Klima-Aktivist Dan Miller in „A simple and smart way to fix climate change“ der Ursache des menschlichen Verdrängungsmechanismus in Sachen Umweltverschmutzung auf den Grund. Er stellte eine sehr interessante Frage: Würden wir etwas gegen den CO2-Ausstoß unternehmen, wenn dieser eine durch Al-Quaida verursachte Maßnahme zur Destabilisierung der abendländlichen Kultur wäre? Wir sind im Allgemeinen gelähmt, wenn wir uns selbst als Verursacher eines groben Fehlers identifizieren. Und warum? Aus Mangel an Achtsamkeit, vor der Natur und vor uns selbst. Zwischen den zahlreichen Erwartungen einer ungnädigen Gesellschaft sind wir verloren gegangen auf der Suche nach uns selbst.

 

Die innere Leere lässt sich nicht mit Plastik füllen!

 

Wir brauchen etwas, um unsere innere Leere zu füllen: Die Formation einer Plastikgesellschaft, einem hohlen Menschen, der weder weiß, wer er ist, noch, was er eigentlich hier soll. Und eben dieser Mensch nimmt das ganze Plastikgedöns, mit dem er versucht hat seinem Leben einen Sinn einzuhauchen und schmeißt es ins Meer – mit der Erkenntnis, dass es nichts gebracht hat. Doch anstatt nach einer neuen lebenserfüllenden Strategie zu suchen, kauft der Plastikmensch einfach etwas Neueres, etwas Moderneres. Dabei haben wir dich genauso schlecht behandelt, wie uns selbst. Wir haben genauso viel Müll in uns selbst reingestopft wie ins Meer. Wenn wir uns selbst nicht gut behandeln, können wir auch diesen Planeten nicht gut behandeln. Der Denkfehler einer ganzen Welt steht am Pranger.

Würde eine Mutter ihrem eigenen Kind eine Plastiktüte in den Schlund schieben? Natürlich nicht, es würde das Kind töten. Es tötet aber auch unsere Meere, die verschiedenen Geschöpfe dieser Erde, unsere Wälder, unsere Pole. Wenn ein Mensch einem anderen Menschen das Leben nimmt, landet dieser im besten Fall vor Gericht, muss sich dort für seine Taten verantwortlich zeigen und je nach vorherrschender Sach- und Gesetzeslage eine Strafe verbüßen. Wenn der Mensch jedoch dabei ist, dem Planeten das Leben zu nehmen, dann landet er nirgendwo. Im Gegenteil er wird sogar als Sieger im Kapitalismus hervorgehen.

 

Sogar Pocahontas hat es kapiert!

 

Wir haben dieses große Glück, Gast auf diesem Planeten sein zu dürfen. Schon Disney’s Pocahontas versuchte mit den Worten „Der Regen und der Fluss sind meine Brüder, der Reiher und der Otter mein Geleit, und jeder dreht sich mit und ist verbunden mit dem Sonnenrad, dem Ring der Ewigkeit“ zu erklären, was es heißt, ein Teil dieser Erde zu sein und nicht ihr Besitzer. Es ist nämlich nicht unser gottgegebenes Recht dich mit unserem Abfall vollzustopfen und deine Bewohner auszurotten. Es ist nicht unser Recht, den Erdball zu unserem Kriegsschauplatz zu machen und Atombomben abzufeuern. Es ist nicht unser Recht, Wälder abzuholzen und ganze Landstriche zu zerstören. Noch viel weniger ist es unser Recht, Unmengen an CO2 in die Atmosphäre zu blasen oder Löcher in den Himmel zu reißen. Und das aus einem einfachen Grund: Wir sind hier nur zu Besuch. Und bei unseren menschlichen Gastgebern schmeißen wir den Müll schließlich auch nicht aufs Sofa. Unsere Angst vor dem Klimawandel gründet nur auf einer Tatsache: deiner gewaltigen Rache, die keinesfalls gerecht oder ungerecht sein wird, sondern nur die Folge eines außer Gleichgewicht geratenen Systems. Mit jedem Grad Erderwärmung wirst du an Größe und Stärke gewinnen. Wir kriegen dich nicht klein, wir machen dich nicht zum Kollateralschaden unserer Konsumgesellschaft.

 

Du hast uns allen großartige Geschenke gemacht: Romantik, Meditation, Abenteuer, Freude, Ekstase, Schönheit, Schrecken, Liebe – und nicht zuletzt das Leben. Vielleicht werden wir in der Lage sein, unseren eigenen Untergang zu verhindern, vielleicht nicht. In jedem Fall will ich, dass du weißt, dass es sich lohnt, um dich zu kämpfen.

In Liebe, dein Apfel.

 

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