Liebeserklärung an: autonomes Fahren

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

Von Lucie Lang.

Liebes autonome Fahren,

wir kennen uns noch nicht richtig, aber ich habe schon viel von dir gehört. Und eins kann ich jetzt schon sagen: Ich freue mich auf unsere gemeinsame Zeit. Wann und wo wir einen Bund fürs Leben eingehen werden, steht noch in den Sternen. Wie genau diese Beziehung aussehen wird, liegt in den Händen der Ingenieure, der Chefs in den Automobilkonzernen, der Politik, der Gesellschaft und der Rechtsabteilungen. Aber eines ist sicher: Wir werden uns definitiv kennenlernen. Und du kommst nicht allein. Mit im Gepäck: Die AI (Artificial Intelligence), Connectivity und e-Mobility. Soll heißen: Das Autofahren der Zukunft wird nicht nur autonom, sondern dank AI und IoT (Internet of Things) werden unsere future cars zu mit ihrer Umgebung vernetzen Automobilen. Elektrische Antriebsarten sorgen zudem für eine (hoffentlich) nachhaltige Mobilität. Bis es soweit ist, schwelge ich in Tagträumen und stelle mir vor, wie unsere gemeinsame Zukunft wohl aussehen könnte.

Ciao Stau

Bei unserem Kennenlernen kommt es nicht auf Oberflächlichkeiten, sondern auf innere Werte an. Mit deiner unschlagbaren Intelligenz und hingebender Fürsorge wirst du mich in deinen Bann ziehen. Wenn du mir nach dem Aufstehen liebevoll eine Nachricht sendest, mir einen guten Morgen wünschst und mich daran erinnerst, wann ich aus dem Haus muss. Davor hast du natürlich bereits die Verkehrslage gecheckt und mit meinen routinierten Tagesabläufen und meinem Kalender verglichen. Anschließend hast du die ideale Aufbruchszeit berechnet. Und das alles hast du ganz selbstständig und unauffällig getan, als ich noch unter der Dusche stand. Wenn es dann endlich losgeht und du mich in die Arbeit fährst, versorgst du mich mit den wichtigsten News des Tages und fragst mich, ob du mir meine E-Mails vorlesen sollst. Du bist eben ein richtiger Gentleman. Und weil du außerdem extrem schlau bist, benötigen wir nicht mehr 60, 90 oder gefühlte 10.000 irrsinnig nervige Minuten in die Arbeit, sondern nur noch 20 – wie es bei normalem Verkehrsfluss die Regel sein sollte.
Du wirst mich sicher und bequem durch den morgendlichen Verkehr lotsen. Mit meiner Lieblingsmusik im Ohr, werde ich so entspannt wie ich es nie für möglich gehalten hätte, in der Arbeit ankommen – ohne lästige Parkplatzsuche, denn du wirst dir selbst eine Ladestation für den nächsten Trip suchen. Wahlweise kannst du natürlich auch gerne Einkaufen fahren, meine Pakete abholen oder Gutes tun (dazu später mehr). Am späten Nachmittag treffen wir uns gutgelaunt wieder und fahren gemeinsam zum nächsten Ziel oder nach Hause. Ja du bist sogar so zuvorkommend, dass du kurz vor meiner Ankunft im trauten Heim das Licht einschaltest und die Heizung oder Klimaanlage aufdrehst – Danke dafür!

Back to bike

So gerne wir miteinander Zeit verbringen werden, so groß wird auch immer dein Verständnis sein, wenn ich mal Zeit für mich brauche. Auch wenn das bedeutet, dass du zu Hause bleiben musst oder für andere Menschen im Einsatz sein wirst. Und dank dir wird meine Zeit ohne dich wesentlich entspannter sein, als sie es heute in vergleichbaren Situationen ist. Deine überdurchschnittliche Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit werden sich schnell rumsprechen und auch andere Menschen dazu veranlassen, sich mit dem autonomen Fahren anzufreunden. Durch die Vernetzung der Fahrzeuge untereinander und mit ihrer Umgebung wird es möglich sein, wesentlich effizienter unterwegs zu sein und das Verkehrsaufkommen signifikant zu reduzieren. Möglicherweise werden zwar insgesamt nicht weniger Autos auf der Straße sein. Aber durch die intelligente Steuerung dieser ist es denkbar, die absolute Fahrzeit jedes Einzelnen zu senken. Was im Umkehrschluss auch zu mehr Platz in den Städten führen kann.
Der zusätzlich gewonnene Raum könnte unter anderem für breitere und sicherere Fahrradwege genutzt werden. Damit würde ich dank dir, liebes autonome Fahren, noch mehr für die Umwelt und meine Fitness tun, als das ohnehin schon der Fall ist. Aber auch während ich auf meinem Fahrrad die neu gewonnene Freiheit genieße, nicht mehr zwischen einer Autospur und dem Gehweg radeln und dabei die Abgase der Autos einatmen zu müssen (in meinen Träumen wird es eine einzige große Spur nur für Fahrradfahrer geben), werde ich in Gedanken oft bei dir sein. Nach einigen Kilometern auf dem Rad werde ich mich sicherlich ab und zu wundern, weshalb ich auf der gesamten Strecke noch nicht einmal von unachtsamen Autofahrern fast über den Haufen gefahren worden bin. Bis mir wieder einfällt: Autonomes Fahren macht’s möglich. Denn sollten alle Hinweise beim Abbiegen den Fahrer kalt lassen, leitet das smarte Vehicle den Bremsvorgang selbst ein.

Sharing and caring

So besonders und smart unsere Beziehung auch sein wird, eins wird sie niemals sein: einzigartig. Und das ist auch gut so. Damit meine ich aber nicht nur, dass auch andere Autofahrer von dir profitieren werden. Nein, du bringst auch das Potenzial mit, die Gesellschaft etwas näher zusammenzubringen und für die Menschen da zu sein, die sich kein eigenes Auto leisten können oder wollen und für diejenigen, die aus anderen Gründen nicht selbst fahren können. Wie oft sitze ich in der Arbeit und halte es für unglaublich sinnlos, dass mein Auto währenddessen durchschnittlich acht Stunden in der Tiefgarage unnütz rumsteht (Die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel zu mir in die Arbeit ist wirklich unterirdisch). Wie oft nutzen wir am Wochenende das Auto meines Freundes um gemeinsam irgendwo hin zu fahren. Und wie oft schwinge ich mich im Sommer viel lieber aufs Fahrrad um in die Stadt zu fahren (Dauert halt Ewigkeiten aber lohnt sich). Unzählige Male!
Wie cool wäre es, wenn sich die Standzeit meines Autos sinnvoll nutzen ließe? Du, mein autonomes Fahrzeug, könntest in dieser Zeit ältere Menschen zum Einkaufen fahren, Kinder aus der Schule abholen oder Studenten aus nicht-klimatisierten öffentlichen Verkehrsmitteln befreien. Wenn man sich überlegt, wie viele Autos es in Deutschland gibt, wie viele Stunden pro Tag diese sinnlos rumstehen und das Ganze hochrechnet, muss man sich einfach mit der Frage beschäftigen, ob Carsharing nicht das einzige wirklich sinnvolle Modell für die Mobilität der Zukunft ist. Natürlich auch unter der Voraussetzung, dass sich Elektromobilität durchsetzt und der Produktionsprozess so nachhaltig, fair und umweltfreundlich wie nur möglich wird. Das coole am Sharen: Die Autobesitzer, die ihre Fahrzeuge anderen zur Verfügung stellen, müssten sich noch nicht einmal Gedanken um die Fahrkünste der „Ausleiher“ machen. Autonomen Fahren sei Dank!

Liebes autonome Fahren, sollte ich dich online treffen, sei dir gewiss, ich werde nach rechts swipen. Denn wir zwei matchen total. Und dann freue ich mich auf den Beginn unserer Beziehung im realen Leben.

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Bildquelle: zhang kaiyv from Pexels

Informations-Quelle: KPMG Global Automotive Executive Survey 2019