„Liking Gap“: Du bist beliebter als du denkst!

Wenn du glaubst, du hättest einen katastrophalen Eindruck bei einer Person hinterlassen, dann frag lieber nochmal nach: Es ist nämlich ziemlich wahrscheinlich, dass dein Gegenüber dich gar nicht mal so schlimm findet. Diese Diskrepanz bezeichnet man auch als „Liking Gap“.

Oft denken wir nämlich von uns selbst, unsympathischer zu sein, als es eigentlich der Fall ist. Das haben Forschende auch in einer Studie zum Thema herausgefunden:

  • Menschen unterschätzen nach Gesprächen systematisch, wie sehr ihr Gegenüber sie mag. Dieser Effekt heißt „Liking Gap“.
  • Die tritt in vielen Situationen auf: bei Fremden im Labor, neuen Mitbewohner*innen im Studentenwohnheim oder Teilnehmer*innen eines Workshops.

Menschen unterschätzten also sehr häufig, wie sehr ihr Gegenüber sie mochte und ihre Gesellschaft wertschätzte. Aber woran liegt das? Und kann man irgendetwas dagegen tun?

Eigene Ansprüche konkurrieren mit Außenwahrnehmung

Schuld an dieser Diskrepanz sind vor allem wir selbst: Wir erwarten einfach viel zu viel von uns. Im Gegensatz dazu hat unser*e Gesprächspartner*in eine deutlich geringere Erwartungshaltung uns gegenüber. Daher werden uns viel eher Dinge „verzeiht“, über die wir uns im Nachhinein den Kopf zerbrechen.

Nochmal im Klartext: Das liegt nicht unbedingt daran, dass diese Person ein so gütiger Mensch ist. Vielmehr ist es ihm*ihr vermutlich gar nicht erst negativ aufgefallen. Wir denken aber, dass jede andere Person genauso harsch zu uns ist, wie wir es zu uns selbst sind.

Wie lange diese „Liking Gap“ bestehen bleibt, hängt stark von den betroffenen Personen ab. Es kann sich dabei um Stunden, Tage oder Wochen, aber auch Jahre handeln, bevor diese Lücke sich schließt. In dieser ganzen Zeit ist sie eine starke Belastung für die Psyche und die Beziehung.

Wir selbst sind unser größter Kritiker

Wir nehmen oft an, dass unser Gegenüber so über uns denkt, wie wir es selbst tun – was überhaupt nicht stimmt! In der Regel sind wir nämlich selbst unser*e größte*r Kritiker*in. Das muss nicht immer schlecht sein, weil es uns auch dazu anregt, unser Auftreten in Gesprächen zu verbessern. Aus Fehlern kann und sollte man eben lernen.

Wenn wir aber selbst davon überzeugt sind, von niemandem gemocht (höchstens von ein paar Leuten toleriert) zu werden, dann können wir auch nicht die engen Bindungen schließen, die wir zum einen als soziale Wesen brauchen. Schließlich wollen wir uns alle irgendwo zugehörig fühlen. Es ist die tragische Ironie des Schicksals, dass wir durch solche Gedanken genau die Menschen auf Abstand halten, denen wir wirklich wichtig sind.

Selbstkritik ist an sich keine schlechte Eigenschaft, ganz im Gegenteil. Sie kann aber schädliche Züge annehmen. Es braucht daher eine gesunde Balance aus Vertrauen, sowohl in dich selbst als auch in deine Mitmenschen, und bewusster Selbstreflexion. So wird man dem eigenen Verhalten gegenüber weder blind noch kleinlich.

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