Nino Seidel

„Lubi – Ein Polizist stürzt ab“: Podcast-Host Nino Seidel im Interview

Rolf L., den alle Welt als Lubi kennt, arbeitete als Polizist in Berlin – bis er sich in einer Autoschieberbande wiederfand und damit selbst in die Kriminalität abrutschte.  Über den neuen True-Crime-Podcast „Lubi – Ein Polizist stürzt ab“ haben wir mit dem Podcast-Host und Journalisten Nino Seidel gesprochen. Im Podcast gelingt es Nino Seidel, nicht nur über, sondern auch mit dem Verbrecher zu sprechen. Die Dokumentar-Serie von Studio Bummens und dem SWR ist seit dem 27. April 2023 in der ARD Audiothek und ab dem 4. Mai 2023 auf allen Drittplattformen verfügbar.

ZEITjUNG: Wie konntest du Lubi davon überzeugen, seine Geschichte in einem Podcast zu erzählen?

Nino: Ich habe ihn gefragt und überhaupt nicht damit gerechnet, dass er Ja sagt. Zwar war er zu dem Zeitpunkt auf freiem Fuß, aber er war auch kurz vor der Verurteilung. Daher hielt ich es für sehr unwahrscheinlich, dass er zusagt. Ich habe ihn mit seinen Anwälten getroffen und wir haben uns schnell ganz gut verstanden. Lubi ist nicht alt, aber auch nicht die junge Podcast-Generation – er war dennoch sofort offen dafür. Er meinte: „Das ist genau das richtige Medium, ich will meine Version der Geschichte erzählen, ich bin dabei.“

ZEITjUNG: In der Regel ist es so, dass in Podcasts über Verbrecher*innen gesprochen wird. Du hattest im Rahmen der narrativen Serie „Lubi – Ein Polizist stürzt ab“ die Möglichkeit, mit einem Verbrecher zu sprechen. Wie war das für dich?

© 2023 Studio Bummens

Nino: Das, was ihm vorgeworfen wird, ist natürlich keine Lappalie, aber er ist jetzt auch kein Mörder oder Sexualstraftäter. Das heißt, es gab keine große Berührungsangst. Ein Zwiegespräch, in dem man eine*n Verbrecher*in zu Wort kommen lässt, ermöglicht einen Blick durch das Schlüsselloch, den man ansonsten nicht bekommt, wenn man eine Akte liest oder wenn man Polizist*innen oder Anwält*innen interviewt. Es ist nicht nur ein True-Crime-Podcast, es ist auch die Geschichte eines Mannes beziehungsweise der Fall eines Mannes und zwar im doppelten Sinne: Es ist ein Kriminalfall und der Fall im Leben. Und die Art, wie er erzählt, ist sehr eindrücklich und sehr einnehmend. Daher wäre es schade gewesen, nicht mit ihm zu sprechen.

ZEITjUNG: Hattest du ihm gegenüber Vorurteile, weil du wusstest, dass er ein Verbrecher ist?

Nino: Ich habe schon ein paar Verbrecher*innen getroffen als Journalist, deswegen habe ich keine Berührungsängste gehabt. Ich hatte eher Befürchtungen wie „Wie offen wird er sein?“. Es gab zu dem Zeitpunkt nämlich noch kein Urteil. Man muss auch dazu sagen: Das ist kein Investigativ-Podcast, in dem ich minutiös seine Aussagen mit seiner Akte vergleiche. Es ist seine Version der Geschichte. Ich habe versucht, ihm wohlwollend zu begegnen. An wichtigen Stellen, wo ich das Gefühl hatte „Moment, das kann so nicht sein“, war ich dann aber auch kritisch. Daher war mein Vorbehalt eher: „Wie viel ,Lubi-Wahrheit‘ bekomme ich vorgelegt und was ist die wirklich wahre Geschichte?“. Wenn man sich den Podcast anhört, kann jede*r Zuhörer*in selbst entscheiden, wie nah wir da der Wahrheit gekommen sind. Ich selbst weiß es am Ende auch nicht genau und ich glaube, selbst Lubi weiß es am Ende nicht.

ZEITjUNG: Du hast Lubi im Rahmen der Recherche eine ganze Weile begleitet. Konntest du persönlich etwas von ihm lernen?

Nino: Ich fand es zum Beispiel sehr interessant, wie er es geschafft hat, über einen so langen Zeitraum ein Doppelleben aufrechtzuerhalten. Jede*r hat ja ein Geheimnis, das ganz banal ist und dann fliegt es auf oder man erzählt es doch weiter. Lubi hat aber eine riesengroße Bürde mit sich getragen und es doch geschafft, sehr lange damit durchzukommen. Keine super gute Eigenschaft – also wie man gut lügt. Ich habe aber auch etwas Gutes von ihm gelernt, und zwar, wie man mit seinen Fehlern umgeht. Er geht relativ offen damit um, an einigen Stellen vielleicht auch immer noch sich sehr reinwaschend, aber an sich hat er den Drang gespürt, mit seiner Lüge reinen Tisch zu machen – und das muss man erstmal wollen.

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Bildquelle: Privat