„Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ – Was ist dran?
„Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ – so einleuchtend die These von John Gray auf den ersten Blick erscheint, so unscheinbar reproduziert sie klassische Rollenbilder und Stereotypisierungen.
Disclaimer: Der Artikel enthält subjektive Standpunkte der Autorin.
Aussagen wie „Frauen wollen reden, Männer lösen ihre Problem allein“ oder „Männer und Frauen kommunizieren unterschiedlich“ kommen uns allen wohl bekannt vor. Der Paar- und Familientherapeut John Gray treibt diese Annahmen in seinem Beziehungsratgeber „Männer sind anders, Frauen auch“ auf die Spitze. Seine simple These: Männer und Frauen sind so unterschiedlich, dass sie von verschiedenen Planeten stammen könnten.
Das andere Geschlecht
Beziehungsprobleme sind John Gray zufolge auf psychologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen. Der Schlüssel zum dauerhaften Liebesglück liege in der Akzeptanz der Unterschiedlichkeit und Toleranz der Andersartigkeit des Geschlechts im täglichen Miteinander. In jedem Kapitel gibt der Autor Anweisungen, wie man im Umgang mit dem anderen Geschlecht seine bzw. ihre Unterschiedlichkeit verstehen, akzeptieren und – im Idealfall – lieben kann. Besonders in Stresssituationen zeigen sich Gray zufolge die „natürlichen Anlagen“ und die emotionale Natur von Mann und Frau. Frauen seien einfühlsam und kommunikativ, Männer eher lösungsorientiert. Männer und Frauen sprechen laut dem Therapeuten nicht dieselbe Sprache, sodass aus kleinen Missverständnissen große Streitereien werden. Mit seinem Beziehungsratgeber bietet er Verhaltensregeln – eine Art Übersetzungsleitfaden. Klingt erstmal logisch und nachvollziehbar.
Erfolgskonzept Komplexitätsreduktion
Seine metaphorische Sternentheorie schildert John Gray so plastisch und märchenhaft, dass sie ähnlich wie Horoskope eine hohe Anziehungskraft ausstrahlt. „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ landete auf mehreren Bestseller-Listen, dazu kommen Auftritte des Therapeuten in TV-Shows (unter anderem war er zu Gast bei Oprah) und Online-Workshops.
Grund für den Erfolg ist die Vereinfachung von Komplexität. Das Leben ist häufig komplex und chaotisch. Wenn wir den Überblick verlieren, versuchen wir aufzuräumen, schaffen Ordnung und bilden Kategorien. Wir verallgemeinern und vereinfachen mit Aussagen wie „Frauen wollen über Probleme sprechen, Männer wollen sie lösen“. „Typisch Frau“- oder „Typisch Mann“-Klischees kennt man aus dem Alltag und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht selbst schon mal an diesen Klischees bedient hätte. Sie sind unterhaltsam, jede*r versteht sie, jede*r kann mitreden und alle schmunzeln. Aber wenn Stereotypen die Grundlage für Ratschläge, Handlungsanweisungen oder gar gesellschaftliche und politische Entscheidungen werden, ist das ein Problem.