Kellnern ist der Job der jungen Menschen

Nebenjob als Kellner*in: „Es gab schlimme und noch schlimmere Tage“

Kellnern ist etwas, was viele junge Leute irgendwie schon einmal getan haben. Zumindest darüber nachgedacht haben wohl die meisten schon. Denn immerhin ist es gut verdientes Geld und ein leichter Job. Aber ist das wirklich so?

Leon stand in dem Burger-Restaurant, in dem er seit einigen Wochen arbeitete. Es roch nach Fett, nach Essen und irgendwie auch nach Stress. Die Gäste kamen und gehen: alles musste schnell gehen, am besten so schnell, dass man seinen Burger noch im Stehen verspeisen hätte können. Ja keine Sekunde warten, ja keine Minute Lebenszeit verschwenden. Drei Mädchen betraten das Restaurant. Heute war einer der Tage, an dem noch mehr los war als an den Tagen, an denen viel los war. Ein Tisch hatte sich schon mehrmals gemeldet: die Familie wollte bezahlen. Leon holte sein Bezahlterminal aus der Tasche: Eintippen, Karte auflegen, Bon abreißen, zu wenig Trinkgeld. Danach wollte er zum Tisch der Mädchen. Plötzlich – inmitten des Bezahlvorgangs – drehte sich eines der Mädchen um. „Ich würde jetzt gerne endlich bestellen“, sagt sie. Perplex sagte Leon, dass er gerade am Bezahlen sei und gleich zu ihnen kommen werde. Das Mädchen sprang auf. „Was ist das für ein Scheißladen? Alle sind so unfreundlich und ich warte schon ewig“, schrie sie. „Ich habe das wirklich gar nicht verstanden, habe zu Zittern angefangen und war echt kurz vorm Heulen“, sagt Leon heute. „Die saß da keine fünf Minuten. Dann wollte sie die ganze Zeit den Chef sprechen und ist ausgetickt.“ Leon war im Vorfeld bewusst, dass es auch unleidige Gäste geben wird. „Aber, dass es dann im Endeffekt teilweise so schlimm ist, habe ich nicht erwartet.“

So wie Leon geht es vielen jungen Menschen. Das Kellnern zählt zu den beliebtesten Nebenjobs von Schüler*innen und Student*innen. Insgesamt waren im Jahr 2018 etwa 2,2 Millionen Menschen im deutschen Gastgewerbe beschäftigt, 1,6 Millionen davon in der Gastronomie. Das ergaben die Zahlen des Statistischen Bundesamtes 2017. Durch die Corona-Pandemie sank die Zahl der Menschen, die im Gastgewerbe tätig sind. Im Jahr 2021 waren 1,1 Millionen Menschen im Gaststättengewerbe beschäftigt. Das Kellnern zählt trotz seiner Beliebtheit mit zu den am schlechtesten bezahlten Berufen in Deutschland. Der Stundenlohn beträgt im Schnitt 12,45 Euro. Die Gehaltshöhe hängt jedoch von vielen Faktoren ab.

„Ich habe mich ungerecht behandelt gefühlt“

„Ich wurde mit 10 Euro pro Stunde bezahlt“, erzählt Leon. „Ich musste außerdem zwei Prozent des Umsatzes für Küche und Bar abgeben, weil die ja kein direktes Trinkgeld bekommen.“ Als Rechenbeispiel: Wenn ein Tisch etwas für 100 bestellt hat, musste Leon zwei Euro abgeben. Dabei hat keine Rolle gespielt, wie viel Trinkgeld er von den Gästen bekommen hat. Das Wechselgeld war das private Geld der Kellner*innen. Hätte Leon an einem Tag also kein Trinkgeld bekommen, hätte er theoretisch Minus gemacht. „Also eigentlich war ich auf das Trinkgeld angewiesen“, meint Leon. „Ich dachte auch echt, dass ich da einiges bekomme. Aber das war weit gefehlt. Vor allem, wenn ich mit so anschaue, was weibliche Kolleginnen bekommen haben.“

Das kann auch Livia bestätigen. Die Studentin hat in einem bayerischen Bistro als Kellnerin gearbeitet. „Bei uns konnte man so etwas wie Sandwiches, Pfannkuchen und Käsespätzle bestellen. Aber vor allem ging es ums Trinken.“ Zwei Mal die Woche gab es in dem Bistro einen Stammtisch. „Die haben richtig gut Trinkgeld gegeben,“ erinnert sich Livia. „Bei den älteren Herren bist du mit dem weiblichen Charme einfach weitergekommen. Dann hast du dich mal mit denen unterhalten und schon hast du als hübsches, junges Mädchen mehr Trinkgeld bekommen“, erzählt Livia.

„Ich habe mich da schon immer ungerecht behandelt gefühlt“ sagt Leon. „Das wenigste, was ich mal an einem Tag bekommen habe, waren sechs Euro.“ Er erinnert sich an eine Szene: Ein Ehepaar um die 40 war im Restaurant zu Gast. Sie wollten bezahlen, also holte die Frau ihren Geldbeutel aus der Tasche. Am Tisch lag bereits ein Euro. „Ich habe mich gefreut, dass da jetzt anscheinend noch etwas mehr Trinkgeld rausspringt“, sagt Leon. Plötzlich hat ihr Mann gesagt: „Was machst du da? Es kostet doch nicht so viel.“ Dann hat er das Geld, das seine Frau gerade herausgesucht hat, wieder in den Geldbeutel gesteckt und Leon den einen Euro zugeschoben. „Das war alles, nachdem er mich noch gelobt hat, wie gut der Service war“, ärgert sich Leon. Solche Situationen gab es oft. Ein anderes Mal hat ein Essen 18,80 Euro gekostet. Die Besucherin hat Leon dann 10 Cent Trinkgeld gegeben. „Am meisten hat mich genervt, dass sie dann immer so gönnerhaft gesagt haben, dass das so stimme“, erzählt Leon. „Was die Kunden angeht, gab es schlimme und noch schlimmere Tage.“