Nichts was uns passiert

„Nichts, was uns passiert“: Ein wichtiger Film über sexualisierte Gewalt

Von der Gefahr des „Victim Blaming“

Von Zweifeln über Scham bis hin zur Schuld: Die Geschichte lässt uns unentwegt an Annas Gefühlswelt teilhaben. Hätte sie es verhindern können? Sich mehr wehren müssen? Fragen, die sich Anna möglicherweise nicht stellen würde, wenn ihre Freund*innen ihr glauben würden. Im Interview mit Kelly stempelt Annas Mitbewohnerin sie als Lügnerin ab, die nur um Aufmerksamkeit buhlt. Und nicht einmal ihr bester Freund Hannes will ihr anfangs glauben: „Es ist so schwer, weil ich kenn ihn anders.“

Und dann kommt auch noch die Wut. Die Wut auf die Polizistin, die Fragen stellt wie „Warum haben Sie so viel getrunken?“, „Was für Kleidung haben Sie getragen?“ und „Warum haben Sie nicht geschrien?“ – als hätte Anna nicht schon genug gelitten.

Damit greift der Film ein wichtiges Thema auf, das in unserer Gesellschaft noch zu wenig präsent ist: die „Täter-Opfer-Umkehr“, auch bekannt unter dem englischen Begriff „victim blaming”. Dabei wird die Schuld und damit die Verantwortung für die Tat von den Täter*innen auf die Betroffenen abgewälzt. Natürlich ist nicht jede*r Polizist*in so. Aber es reicht, dass sowas vorkommt. Und das ist verheerend, denn allein in Deutschland erleben laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zwei von drei Frauen in ihrem Leben sexuelle Belästigung und jede siebte Frau wird Opfer schwerer sexualisierter Gewalt. Anzeige wird allerdings nicht in allen Fällen erstattet, was in weiten Teilen sicher an der langen Tradition der Täter-Opfer-Umkehr liegt.

In „Nichts, was uns passiert“ wird das Thema Vergewaltigung sehr gelungen dargestellt. Dabei geht es in dieser Geschichte nicht primär um Schuld und Gerechtigkeit, sondern vor allem um Selbstermächtigung: „Du hast dir deine Geschichte zurückgeholt“, sagt Kelly am Ende zu Anna. Die Podcasterin hat maßgeblich dazu beigetragen. Und auch die Absicht des Films, den Blick für das gesellschaftliche Phänomen der sexualisierten Gewalt zu weiten, geht auf ihr Konto.

„Nichts, was uns passiert“ gibt es am 1. März 2023 um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen. Ab dem 23. Februar 2023 ist der Film in der ARD Mediathek verfügbar.

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Bildquelle: © WDR/Gaumont/Lotta Kilian (Bild zugeschnitten)