Oettinger Bier neue Edelmarke

Oettinger Kellerbier: Wird der Billigheimer edel?

Unter Bierkennern erntet man schon mal ein Naserümpfen, wenn man von der bayerischen Biermarke Oettinger spricht. Es handelt sich dabei um eine eigentlich klein gestartete Brauerei, die sich mit absoluten Kampfpreisen vor einigen Jahren erstmals erhebliche Marktanteile am heißumkämpften Biermarkt erobert hat. Nun ist es müßig, auf Geschmacksfragen allgemein einzugehen, denn die wird jeder stets unterschiedlich beurteilen. Aber eines muss man Oettinger lassen: Irgendwas müssen sie richtig machen, wenn man ihre Verkaufszahlen betrachtet. Mit dem naturtrüben Kellerbier von Oettinger wird aber nun ein ganz anderes Produkt angeboten, das sich von der bisherigen Produktstrategie des „Hauptsache billig“ abhebt. Das geht schon beim Design der Etiketten los.

 

Hochwertiges Kellerbier zeugt von hoher Braukunst

 

Der Minimalismus der normalen Oettinger-Flaschen ist beim Kellerbier verschwunden. Ein stimmiges und schön designtes Etikett zeigt, dass der Anspruch in Richtung traditionelle Braukunst gehen soll. Ob das gelingt, zeigt sich naturgemäß aber nicht am Etikett, sondern am Inhalt. Zu den „technischen“ Daten: Das Kellerbier von Oettinger hat einen Alkoholgehalt von 5,6 % vol. und entspricht damit anderen Produkten dieser Kategorie. Für nicht so versierte Biertrinker hier ein kurzer Ausflug in das Brauereihandwerk: Im Gegensatz zu normalen Bieren wird Kellerbier deswegen so genannt, weil es im Keller (normalerweise in Fässern) gelagert wird und dort vor sich hin reifen kann. In der Regel handelt es sich um unfiltriertes Bier, weswegen es auch häufig als „naturbelassen“ oder „naturtrüb“ bezeichnet wird. Das bedeutet, dass Schwebestoffe (beispielsweise der Hefe) im Bier verbleiben und nicht herausgefiltert werden. Auf den Geschmack hat das Auswirkungen, weil es dem Bier eine besondere Note hinsichtlich der Bitterstoffe verleiht. Kellerbier wird oft als Zwickelbier bezeichnet. Es entspricht nämlich im Prinzip dem ungefilterten Bier, das vom Braumeister über den sogenannten „Zwickelhahn“ aus dem Fass entnommen wurde, um es zu kosten und somit die Qualität und den Geschmack des Bieres zu prüfen. Heute verkaufen viele (vor allem kleinere) Brauereien ihr Kellerbier als wohlschmeckende Ergänzung zum normalen Sortiment als Spezialität – und landen damit nicht selten große Erfolge. Viele Bierkenner, die ein anderes Bier solcher Brauereien eigentlich nicht ansehen würden, werden bei Kellerbier gerne schwach, weil der Geschmack intensiv und urig ist. Ein ganz anderes Genusserlebnis als bei den Standardbieren, die als Export und Pils über den Ladentisch gehen.

 

Flüssiges Brot im besten Sinne beschriebt ein gutes Zwickelbier

 

Typisch für ein Kellerbier ist die deutliche Hefenote, die sich schon im Geruch zeigt. Manche Biertrinker sprechen bei solchen Gestensäften auch gerne mal vom „flüssigen Brot“, ein Begriff, der den Geschmack ganz gut trifft. Das ist keineswegs abwertend gemeint, denn viele Bierexperten schätzen genau diese Geschmacksnote in einem trüben Kellerbier ganz besonders. Es ist eben nicht jedermanns Sache, aber das ist bei anderen Bieren auch nicht anders. Nicht jeder mag Hefeweizen oder Pils – über Geschmack lässt sich generell nicht gut streiten. Mit seiner Variante des Zwickelbieres kann Oettinger jedoch so manches Vorurteil der Vergangenheit über die „billige“ Note der Biere vergessen machen. Das zeigt sich auch bei Blindverkostungen. Hier schafft es das Kellerbier regelmäßig, die Tester zu überraschen, indem es sich auf einen der vorderen Plätze manövriert. Gerade selbsternannte Bierexperten sind dann meist sehr überrascht, dass sie sich ausgerechnet für ein Oettinger entschieden haben. Das beweist, dass man sich einfach selbst sein Bild machen sollte und nicht unbedingt etwas auf die Meinungen anderer geben sollte, die unter Umständen nur den Ruf eines Bieres beurteilen und nicht dessen echten Geschmack.

 

Süffigkeit steht bei Kellerbier im Vordergrund

 

Mag man den urigen Geschmack von Kellerbier, ist das Oettinger sicher einen Versuch wert. Wer schon einmal eine Brauerei besichtigt hat, wird beim Geruch des Bieres sofort daran erinnert – und beim Geschmack erst recht. Zwickelbier ist rein vom Handwerklichen her ein „unfertiges“ Bier, weil es eben nicht filtriert wurde. Aber ist es nicht auch so, dass einem der unfertige Keksteig oft viel besser schmeckt als die fertig gebackenen Kekse? Beim Bier kann das ähnlich sein. Besonders gut gelungen ist Oettinger die Farbe und der feinporige Schaum des Kellerbiers. Hier geben selbst die schärfsten Kritiker zu, dass es wirklich lecker aussieht. Der pikante und fast schon als brotig zu bezeichnende Nachgeschmack unterstreicht dabei die in Nuancen zu schmeckende Fruchtigkeit des Kellerbiers. Es würde zu weit führen, jetzt alle Vergleichsgeschmäcker aufzuführen, die man in dem Oettinger Zwickelbier zu schmecken meinen könnte, da findet man von einer „Honignote“ bis zu „Pfefferaromen“ alle möglichen Meinungen. Eins haben die meisten Rezensionen zu dem Kellerbier allerdings gemeinsam: Unabhängig von der Frage, ob es dem jeweiligen Verkoster geschmeckt hat, wird die Vielfalt der Aromen herausgestellt, die das Bier in Sachen Braukunst auf eine Ebene mit (zum Teil deutlich teureren) Kellerbieren der Konkurrenz hebt. Mit einem Wort: Es ist ein sehr süffiges Bier, das Liebhaber von naturtrüben Kellerbieren mit einiger Sicherheit befriedigen kann.

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 Bildquelle: Klaus Nahr über CC BY-SA 2.0