Produzent Anders Trentemøller im Interview

„Mit Konzept wird das nichts!“

Interview von Lucas Gros

 

ZEITjUNG: Journalisten wollen Musik immer gern in Schubladen stecken. Weil das bei dir ziemlich schwierig ist, würde ich das gern dir überlassen.

Anders Trentemøller: Oh, das ist tatsächlich eine schwere Frage. Und ich würde sie auch nur auf einem Umweg beantworten wollen: Ich versuche melodische Musik zu machen – ein bißchen melancholisch, ein bißchen träumerisch, ein bißchen atmosphärisch.

Wenn man deinen Sound von den ersten EPs 2003 und dem letzten Album vergleicht, könnte man zwei Geschichten schreiben. Eine über Kontinuität, weil die genannten Elemente sich wiederfinden. Man könnte aber auch eine Geschichte über Diskontinuität schreiben, weil es eine hörbare Veränderung gibt. Mit welcher Geschichte würdest du dich eher identifizieren?

Für mich ist das alles ein Teil der natürlichen Entwicklung. Es wäre doch komisch, wenn ich seit zwölf Jahren dieselbe Musik machen würde? So viele Dinge haben sich in der Zeit verändert und das spiegelt sich in meinem Sound. Dennoch glaube ich, dass die Kontinuität überwiegt.

Obwohl du zum Beispiel bei weitem nicht mehr so clubbig produzierst wie früher?

Ja, auf jeden Fall. Denn meine Herangehensweise ist die gleiche geblieben. Ich liebe einfach Melodien. Das hat mich damals von der Minimal-Szene unterschieden. Und heute, wo ich weniger cluborientiert bin, kommt mir das weiterhin zugute. Meine Musik hat nach wie vor denselben Flow – auch wenn das vielleicht nicht jeder auf Anhieb hört.

Wie sieht es mit den Vocals aus? Früher waren die in deinen Tracks nicht zu finden, heute überwiegen sie. Wie kommt das?

Weißt du, als ich mit der Arbeit an „Lost“ begonnen habe, wollte ich eigentlich wieder ein Instrumental-Album machen. Aber es hat sich schon früh gezeigt, dass die Songs förmlich nach Vocals verlangt haben. Ich hatte da Stimmen im Kopf … (lacht). Wie das klingt! Also die Stimmen bestimmter Sänger natürlich. Und die finden sich jetzt auf dem Album.

Die Vocals sind also zu dir gekommen, du wolltest sie eigentlich nicht unbedingt?

Genau so war es!

Mittlerweile bist du eine echte musikalische Größe geworden. Welchen Einfluss hat der Ruhm?

Natürlich kennen die Leute mich und meine Band jetzt und kommen deshalb zu den Konzerten. Außerdem öffnet das Türen zu Festivals und so. Aber wenn ich Musik mache, ist es dasselbe wie vor zwölf Jahren: Dann schließe ich mich im Studio ein und es gibt nur noch mich.

Du trennst also das Live-Spielen und das Produzieren ziemlich strikt, oder?

Ja, total. Das Produzieren ist echt egozentrisch, die Gigs sind dagegen etwas, das man gemeinsam erlebt. Dann tritt man als Gruppe auf, lebt zusammen im Tourbus, probt als Team und spürt beim Konzert die Energie des Publikums.

Was findest du besser?

Das kann man schwer sagen. Meine Leidenschaft ist definitiv das Musikmachen. Wenn wir auf Tour sind, habe ich keine Zeit, neue Ideen zu entwickeln. Dann vermisse ich die einsamen Nächte im Studio. Aber nach einem Jahr Studio-Phase ist es schon auch mal wieder ganz schön, ein paar Leute um sich zu haben! (lacht)

Die Zyklen ergänzen sich also eigentlich ganz gut?

Absolut. Auch wenn das kitschig klingt: Ich habe ein richtiges Bedürfnis Musik zu machen – das ist wie eine Therapie. Andererseits ist es auch toll, diese Gefühle mit anderen zu teilen.

Du hast früher ja schon viel in Bands gespielt. Wie beeinflusst das deine Musik heute?

Sehr natürlich. Ich habe ja auch auf allen Alben große Anteile eingespielter Instrumente – einfach, weil du nicht alles programmieren kannst. Das ist etwas, was ich durch meinen Background gelernt habe. Eine gespielte Snare oder ein Akkord klingt jedes Mal ein kleines bißchen anders. Das ist auf dem Computer nicht so. Für mich ist der Reiz, die organischen mit den kälteren, künstlich erzeugten Sounds auszubalancieren …

…hey, das ist auch ein Kontinuitäts-Motiv!

Stimmt, ja! (lacht) Und weißt du was? Ich hab noch eins.

Sag an.

Mit jedem meiner Alben erzähle ich eine Geschichte, erzeuge eine Klangwelt. Das geht nur, indem ich einen Großteil der Sachen, die ich im Schaffungsprozess schreibe, verwerfe. Man muss dann die zehn, elf Songs finden, die auch als Album funktionieren und zusammen ein ganzes ergeben. Das ist die künstlerische Herausforderung, die ich immer suche. Deshalb veröffentliche ich auch auf meinem eigenen Label. Da habe ich die nötige Freiheit dazu.

Weißt du schon, wozu du diese Freiheit als nächstes nutzen wirst?

Nein, gar nicht. Das ist noch total offen. Wenn man mit einem Konzept an ein Album herangeht, wird das unter Garantie nichts. Wohin die Reise geht, weiß man frühestens nach der Hälfte des Produktionsprozesses. Dann zeichnet sich langsam etwas ab.

Dann lassen wir uns überraschen. Danke für deine Zeit!

Sehr gerne!

 

Tourdaten Trentemøller 2014:


20.09.2014 Täubchenthal, Leipzig, Germany

21.09.2014 Manufaktur, Schorndorf

22.09.2014 Posthof Linz, Linz

24.09.2014 Viper Club, Florence

25.09.2014 Magazzini Generali, Milan

27.09.2014 La Friche La Belle De Mai, Marseilles, France

28.09.2014 Bierhübeli, Bern, Switzerland

 

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Bildquelle: PR