Hat die Liebe noch eine Chance?
In Zeiten von japanischen Sexrobotern, der Bachelorette und Tinder weiß niemand, was die Zukunft in Sachen Liebe und Beziehung bereithält. Der Generation Y wird nachgesagt, dass sie sich sowieso nicht binden kann, weil alle viel zu viel Schiss haben, sich auf irgendetwas einzulassen. Und überhaupt: Wann hat man eigentlich das letzte Mal jemandem einen Liebesbrief geschrieben – AUF PAPIER? Sollte man das denn? Man weiß es nicht. Was man auch nicht weiß: Gibt es das klassische Konzept der Liebe überhaupt (noch) und wenn ja, hat es eine Überlebenschance? Mit Pudding in den Knien und Kribbeln im Bauch, so richtig mit Einlassen und Beziehung? Schaut man mal versehentlich bei RTL vorbei, wird klar: Es sieht nicht gut aus.
Das waren noch Zeiten vor den Partnerbörsen. Vor den an- oder vielmehr auszüglichen Chats samt ungewollten Dick-Pics. Als Paare in der Disco noch eng umschlungen Stehblues zu Hello von Lionel Richie tanzten und es noch keine Apps für Fake Calls gab, die das Smartphone klingeln lassen, wenn das Date schlecht läuft. Das Überangebot an potenziellen Dates führt zu einer Reizüberflutung. Damit ist es unmöglich, sich auf eine Person zu konzentrieren, die Kriterien werden einfach oberflächlich abgearbeitet. Experten sprechen von einem Dating-Burnout, seine Ursache ist der schnelle Wechsel von Hoffnung und Ernüchterung. Schlimmstenfalls entsteht eine Bindungsangst, und bei jedem neuen Date wispert ein nervöser Bindungsphobiker in unserem Hirn: „Nee, lieber nicht. Was ist, wenn was schiefgeht?“
Tinder ist wie ein Hamsterrad
Tinder haben trotzdem alle. Weil man da ja keine Verantwortung übernehmen muss. Versucht man, die gleichermaßen geliebte wie verhasste Dating-App im Freundeskreis anzusprechen, erntet man die unterschiedlichsten Reaktionen. Bei der einen kann man anhand ihres entsetzten Blicks nur erahnen, was in ihr vorgeht. Sie hat dort wahrscheinlich Dinge gesehen, über die sie nicht sprechen will. Ein anderer setzt nur ein Lächeln auf. Das gleiche Lächeln, zu dem man sich zwingt, wenn der Chef nach dem Projekt fragt, das so überhaupt nicht läuft. Matches werden gesammelt wie früher Pokémon-Karten. Was dabei herauskommt? Außer einer unverbindlichen Nummer oder einem peinlichen Date meistens nichts. Man schwört sich: Das war das letzte Mal. Aber nach ein paar Wochen langweiliger Ruhe begibt man sich doch wieder in die digitale Höhle des Löwen.
Love is all around me
Setzt man als Single jedoch ab und zu mal einen Schritt vor die Tür, fällt auf: Es gibt sie doch noch. Glücklich verliebte Pärchen, in einer „gelabelten“ Beziehung mit Händchenhalten und so. Es muss also doch einen Weg geben, die Liebe zu finden. Vielleicht standen da einfach die Sterne für Jungfrau und Co. richtig und das Liebeshoroskop, das du heimlich, aber gründlich im Netz liest, hatte recht. Vielleicht haben sich die beiden auch einfach beim Kochkurs kennengelernt oder in der Bar um die Ecke. Fakt ist: Das real life ist der Schlüssel. Tinder und so weiter führen sicherlich zu dem einen oder anderen Glückstreffer, aber Funken springen eben nicht von Display zu Display über; sie entstehen durch Mimik, Gestik, Lachen und bei einem echten Gegenüber – ganz ohne Photoshop fürs Profilbild.
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