Sam - Ein Sachse

„Sam – Ein Sachse“: Produzent Jörg Winger im Interview

Die neue Serie „Sam – Ein Sachse“, die am 26. April 2023 ihre internationale Premiere auf Disney+ feiert, wurde unter anderem von Jörg Winger produziert. Wir haben ihn für ein Interview getroffen.

Am 26. April 2023 bekommen Menschen weltweit Zugang zu einer Story aus Sachsen: Die neue Serie „Sam – Ein Sachse“ erscheint auf Disney+ und erzählt die wahre Geschichte von Samuel Njankouo Meffire, dem ersten Schwarzen Polizisten Ostdeutschlands. Im Kampf um Gerechtigkeit eckt er immer wieder an, bis er im Laufe der Zeit schließlich selbst in kriminelle Kreise gerät und zum international gesuchten Staatsfeind wird.

Die Serie basiert auf dem Buch „Ich, ein Sachse“ von Samuel Njankouo Meffire und umfasst sieben Episoden. Produziert wurden diese unter anderem von Jörg Winger (UFA-Fiction Label Big Window Productions). Mit uns hat er über seine Motivation und seine Bedenken gesprochen – und uns damit einen Einblick in das gegeben, was die Kamera nicht eingefangen hat.

ZEITjUNG: Du hast gemeinsam mit Tyron Ricketts die Serie produziert. Was hat dich dazu bewogen, diese Geschichte erzählen zu wollen?

Jörg: Als schreibender Produzent ist Sam für mich eine faszinierende Figur, die für das Gute kämpft und in eine Welt gerät, in der es eigentlich wenig Chancen gibt. Wir vergessen immer, dass Ostdeutschland zum Teil in einen bürgerkriegsartigen Zustand verfallen ist, nachdem die Mauer gefallen war. Und dass es an vielen Ecken Neonazis und Gefahren gab – in einem Teil des Landes, aus dem sich die Polizei zurückgezogen hatte und in dem ein Mensch, der für das Gute gekämpft hat, sehr starke Gegner hatte. Das ist eine großartige Spielfläche für eine dynamische Geschichte. Samuel hat ja als echter Nazi-Jäger auch Erfolg gehabt, und ironischerweise eben zu viel Erfolg. So viel Erfolg, dass ihm gesagt wurde, dass er mal ein bisschen langsamer machen soll, weil es sich ja nur um Einzelfälle handele. Die Spannung aus dieser Welt, in die jemand wie Samuel hineintritt – das ist einfach ein Geschenk für einen Geschichtenerzähler.

Und der entscheidende Grund ist, dass man mit so einer Geschichte auch viele Leute, die vielleicht wenig Kontakt zu Schwarzen Menschen haben, mal sieben Stunden lang in die Schuhe einer Schwarzen Person steigen lassen kann. So kann man Empathie und Verständnis erreichen: über das Herz, über den Bauch, in den Köpfen der Menschen.

ZEITjUNG: „SAM – Ein Sachse“ basiert auf einem Buch, das wiederum auf der Geschichte des Autors basiert. Gab es Aspekte hinsichtlich derer du bewusst von der Vorlage abgewichen bist?

Jörg: Es gibt natürlich immer einen Unterschied zwischen einer fiktionalen Figur und einer realen Person – ob man will oder nicht. Da gibt es Samuel, den echten Menschen, und dann gibt es eben die Figur Sam. Für uns war es extrem wichtig, die psychologische Wahrheit zu treffen. Es geht nicht darum, möglichst akkurat Dinge nachzuerzählen. Es geht um andere Fragen: Was ist der innere Konflikt? Was sind die Ziele? Wo sind die Hindernisse, wo die Entscheidungen?

Wir haben natürlich auch immer wieder den Kontakt zu Samuel gesucht: Er hat die Drehbücher gelesen, und wir haben zum Beispiel Figuren herausgehalten, von denen Samuel nicht wollte, dass sie als Figuren erscheinen. Es ist eine große Verantwortung, wenn man das Leben eines real existierenden Menschen verfilmt. Wir haben kurz vor Weihnachten gemeinsam mit ihm im Kino in Potsdam zusammengesessen und mit ihm dann sieben Stunden lang sein Leben angeschaut, und mir ist der Schweiß wirklich nur so den Rücken runtergelaufen. Wenn man zwei Jahre mit dem echten Menschen und mit der Kunstfigur täglich im Kopf rangiert und dann mit dem echten Menschen im Kino sitzt,  dann ist man natürlich unglaublich gespannt und auch besorgt, ob dieser Mensch dann was damit anfangen kann.

ZEITjUNG: Du selbst bist weiß – Hattest du bei der Produktion der Serie Bedenken, der Geschichte eines Schwarzen Menschen gerecht werden zu können?

Jörg: Wenn ich mich allein irgendwohin gesetzt und das in meinem Kämmerchen geschrieben hätte, dann wäre sicherlich nichts Gutes dabei rausgekommen. Ich hätte es nicht machen können ohne den Input von Samuel, Tyron, Malick und von einem sehr diversen Writers Room. Wir haben einen Writers Room mit drei jungen afrodeutschen Autor*innen. Ganz wichtig war die enge Zusammenarbeit mit Chris Silber, meinem Co-Headautor. Und mit den Regisseurinnen: zwei Frauen, die PoC sind. Ich glaube, das geht nur als Team. Ich konnte meine dramaturgische Erfahrung und mein Handwerk einsetzen, um mit den Menschen, die biographische Erfahrung mitbringen, diese Figuren zu entwickeln. Und ich glaube, so wird ein Schuh draus – es ist eben immer Teamarbeit.

Wir bedanken uns bei Jörg Winger für das Interview. „Sam – Ein Sachse“ könnt ihr ab dem 26. April 2023 auf Disney+ streamen.

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