Seitenwechsel: Schiri, wir wissen wo dein Auto steht

In seiner Kolumne Seitenwechsel betrachtet unser Autor Paul aus einer politischen und kulturellen Perspektive die aktuelle Welt des Sports. Er blickt dabei weit über die Faszination des reinen Wettkampfes hinaus: Vom kommerzialisierten Profisport, über ehrenamtliche Vereinsarbeit, bis hin zum Fußballstammtisch in der Kneipe zieht er Rückschlüsse auf gesamtgesellschaftliche Phänomene, geprägt von seinen eigenen Erfahrungen.

Dem Amateursport wird nachgesagt, die ehrlichere Variante im Vergleich zum kommerzialisierten Profisport zu sein. Egal ob beim Handball, Tennis oder Fußball steht hier das eigentliche Spiel im Vordergrund und nicht die Show, die Stars und die Fernsehübertragung. Grundlegende Bestandteile des Sports werden einem somit besonders deutlich vor Augen geführt – zum Beispiel die Rolle des Schiedsrichters.

Letztes Wochenende verschlug es mich mal wieder auf einen der lokalen Fußballplätze. Das Spiel in der Kreisliga C versprach kein fußballerischer Leckerbissen zu werden, das aber war auch gar nicht der Anspruch der wenigen Zuschauer. Viel mehr enttäuscht waren wir bei der Ankunft, von der fehlenden Bewirtung. Die kommenden 90 Minuten ohne Bratwurst und Bier sollten somit zu schwerer Kost werden. Einzige Highlights des Spiels waren die fragwürdigen Entscheidungen des Schiedsrichters und die damit verbundenen Zurufe der Zuschauer. Politisch korrekt war an den lauten Rufen nichts, entweder wurde das hohe Alter des Schiedsrichters geschätzt, seine Sehkraft in Frage gestellt oder er wurde einfach plump beleidigt. So wirklich stören tut sich daran keiner, gehört halt irgendwie dazu. Und in der Tat lieferte der Schiedsrichter keine gute Leistung ab. Vielmehr passte er sich dem Niveau der zweitniedrigsten Liga an: Fehlende Laufbereitschaft, mangelnde Körpersprache und reihenweise falsche Entscheidungen.

Für große Belustigung sorgte Mitte der zweiten Halbzeit diese Szene des Spiels: Nach einem Zweikampf an der Mittellinie traf der Ball den Schiedsrichter. Nicht mit voller Wucht, aber er ging dennoch zu Boden und blieb einige Minuten liegen. Nach kurzem Gelächter wandelte sich die Stimmung aller Anwesenden. Spieler eilten zum am Boden liegenden Schiedsrichter, einer der Mannschaftsbetreuer kam mit einem Arztkoffer hinzu und die Zuschauer am Rand machten sich ernsthafte Sorgen, ob es den alten Mann eventuell sogar ernster erwischt hatte.

In dem Moment wurde vor allem eines klar: Wenn sich der Schiedsrichter nun wirklich verletzt hat und nicht weiterpfeifen kann, können auch die Spieler nicht weiterspielen. Dann kann das Spiel nicht zu Ende geführt und muss abgebrochen werden. Ohne Schiedsrichter geht es eben nicht. Und zwar unabhängig von der Liga und der Sportart.

Freiwillig zum Sündenbock

Jedes Wochenende erklären sich tausende Schiedsrichter dazu bereit, sportliche Wettkämpfe zu ermöglichen. Viele von ihnen bekommen nur eine Aufwandsentschädigung und selbst die Schiedsrichter der Fußball-Bundesliga gehen parallel noch einem anderen Beruf nach. Sie alle begeben sich freiwillig in die Rolle des Buh-Manns und setzten sich Woche für Woche den Beleidigungen aus. Denn selbst erfolgreiche Schiedsrichter in den Profiligen, können am Ende nur verlieren. Keiner jubelt am Ende des Spiels dem Referee zu. Die größte Auszeichnung und Anerkennung sind für sie die bloße Ignoranz. Ein ziemlich undankbarer Job aus meiner Sicht. Und doch ist er essenziell.