Seitenwechsel: Schiri, wir wissen wo dein Auto steht

Wenn wir sonntags Kreisliga gucken, im Stadion mitfiebern oder uns im Internet austoben, sollte uns das vielmehr bewusst sein. Natürlich sind Emotionen Teil des Spiels und natürlich darf man sich auch über Entscheidungen des Schiedsrichters aufregen. Beleidigungen gegen den Menschen, Shitstorms auf den Social-Media-Kanälen oder Wurfgeschosse auf Linienrichter gehören eindeutig nicht dazu. Erst kürzlich musste das Bundesligaspiel zwischen Bochum und Mönchengladbach abgebrochen werden, nachdem ein Linienrichter mit einem vollen Bierbecher am Hinterkopf getroffen wurde. Traurigerweise sogar nachdem vor dem Spiel noch ein Video des Biersponsors gezeigt wurde, der genau dies verurteilt: „Bier ist zum Trinken, nicht zum Werfen!“ Es scheint als würde sich die Spirale der ungehemmten Frustentladung, der ungebremsten Wutentfaltung immer weiterdrehen. Das Stadion gilt als rechtsfreier Raum und der Schiedsrichter als Freiwild.

Auch die Spieler nehmen in ihrer Vorbildfunktion eine entscheidende Rolle ein. Jede Entscheidung des Schiedsrichters wird lautstark kommentiert, jede Situation wird versucht für den eigenen Vorteil zu nutzen. Der Dortmunder Spieler Bellingham warf kürzlich dem Schiedsrichter vor laufender Kamera indirekt Bestechlichkeit vor. Der deutsche Tennisprofi Zverev schlug gar mehrfach auf den Schiedsrichterstuhl ein. Trainer müssen nach Schiedsrichter Beleidigungen regelmäßig auf die Tribüne.

Gesellschaftliche Entwicklung

Die Respektlosigkeit, die sich in verbalen und körperlichen Angriffen gegen die Schiedsrichter äußert, scheint mehr und mehr salonfähig zu werden. Zwar werden bei den genannten Beispielen Strafen fällig, die Folgen für den gesamten Sport werden dadurch aber nicht verhindert. Denn selbst die jüngsten Fußballfans gestikulieren und diskutieren mittlerweile beim Kicken auf dem Schulhof oder beleidigen den Schiedsrichter im Stadion. Es scheint, als gehöre das genauso dazu, wie das Tore schießen.

Doch wie so oft liegt der Ursprung gar nicht allein im Sport oder im Fußball. Auch andere Stars oder Politiker werden einer immer hemmungsloseren und abscheulicheren Kritik ausgesetzt. Die Hemmschwelle in der Beleidigung scheint immer weiter abzunehmen, mit fatalen Folgen. Völlig verständlich ziehen sich immer mehr Schiedsrichter von ihrem Amt zurück, Nachwuchs gibt es kaum. Es wäre an der Zeit sich der Bedeutung der Schiedsrichter bewusst zu werden und die Spirale der zunehmende Respektlosigkeit zurückzudrehen. Vor allem zum Wohle der vielen Schiedsrichter, die Respekt und Anerkennung verdient haben. Aber auch, um auch in Zukunft überhaupt noch sportliche Wettkämpfe austragen zu können.

Als der vom Ball getroffene Schiedsrichter langsam wieder auf die Beine kam, applaudierten sowohl Spieler als auch Zuschauer. Allen Anwesenden wurde in diesem Moment bewusst, wie wichtig der Schiedsrichter für ihr liebstes Hobby ist. Er hatte sich zum Glück nicht ernsthaft verletzt und alle waren froh, dass es nun weitergehen konnte. Denn ansonsten wäre es vorbei gewesen mit dem Spiel der Kreisliga C. Dann hätte es keine Zweikämpfe und Tore mehr gegeben, und auch keine Aufregung über fehlendes Bier. Ohne Schiedsrichter ist all das nicht möglich. Das sollte allen Sportbegeisterten bewusst sein.

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Bildquelle: planet_fox auf pixabay