„Ich habe mich selbst geheiratet“
Von Melanie Wolfmeier
Als Carrie von Sex and the City vorgegeben hat, sich selbst zu heiraten, um auch endlich mal Geschenke von ihren verheirateten Pärchen zurück zu bekommen, habe ich innerlich gejubelt. Single zu sein ist nicht leicht. Man kauft sich keine Wohnung mit dem Lebenspartner, feiert weder Verlobung noch Hochzeit. Andere Leute schon. Deren Lebensentscheidungen feiert man mit, man schenkt und gibt. Das tut man ja gerne. Aber was ist mit denjenigen, die jahrelanges Dating überleben, sich von untreuen Partnern trennen? Kriegen die nicht nur keine Liebe, sondern auch keine Anerkennung dafür, dass sie als Single überleben?
Okay, das waren jetzt viele Sex and the City – Sätze. Aber wahr sind sie. Dieses Jahr hat die britische Fotografin Grace Gelder den letzten Schritt gewagt. Sie ist vor den Traualtar getreten und hat Carries Fake-Vorhaben in die Tat umgesetzt. Vor fünfzig Hochzeitsgästen hat sie ihr Ja-Wort gegeben. Und zwar sich selbst.
Die perfekten, vorgezeichneten Lebenspläne?
Purer Narzissmus, Selfie-Hochzeit – und komplett armselig. Das sind die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf schießen. Und dann auch die Fragen: Ist diese Frau wirklich so verzweifelt, dass sie, um der Einsamkeit zu entkommen, eine Hochzeit vortäuscht? Und endlich dem Club der „sicheren Ehehafenleute“ eintreten kann? Aber beim Lesen des Statements der Braut auf der Seite von The Guardian gerate ich dann doch ins Grübeln: „I’d been essentially single for almost six years and built up this brilliant relationship with myself. Nevertheless, I was aware of getting into a rut, where a relationship with someone else seemed like too much hard work.“
Wenn ich mir so die anderen Lebensvorschläge anschaue, die wir von klein auf eingetrichtert kriegen, kommen mir noch mehr Zweifel. Am besten sollte es doch so laufen: Schnapp dir den ersten Partner, meisel ihn in euren eigenen vier Wänden fest und ein paar Jahre später wird geheiratet und das Fortpflanzungsprogramm durchgezogen. Aber dass das Leben nicht so leicht auf die Sonnenseite gezerrt werden kann, weißt du spätestens dann, wenn du dich der 30 näherst und immer noch allein am Frühstückstisch sitzt.
Abzweigung verpasst – oder doch nur dem eigenen Weg gefolgt?
Na gut, man ist also noch nicht mit 25 verheiratet, haust immer noch in einer WG und die letzte Beziehung liegt irgendwo zwischen Pubertät und erstem Semester? Und deswegen sollen wir jetzt verzweifeln, weil wir nicht in dem Schema F folgen, weil wir versagt haben und die Ausfahrt mit dem goldenen Ring drauf verpasst haben?
Nein. Ehrlich gesagt, hab ich da wenig Bock drauf. Sich von anderen einreden zu lassen, was wann richtig für einen ist, läuft grundsätzlich schief. Vielleicht hat sich Grace Gelder ja gar nicht selbst geheiratet, um dem Druck des Single-Daseins zu entkommen und sich anzupassen. Ich glaube eher, sie hat es aus ganz anderen Gründen getan. Sie hat nicht irgendjemanden geheiratet, weil es dafür „an der Zeit war“.
Komm mal klar – und zwar mit dir selbst!
„Obviously, if you’ve just announced you’re marrying yourself, it is plainly a statement of self-love, and I was under no illusion how self-indulgent that might appear. But I was completely comfortable with my motivations“, verteidigt sie in ihrem Statement ihre Entscheidung. Die Fotografin hat eben die einzige Person geheiratet, der sie nie entfliehen kann. Mit der sie immer an der Beziehung wird arbeiten müssen. Und die Person, die sie auf jeden Fall lieben muss, auch wenn es gerade sonst niemand tut. Sich selbst zu versprechen, immer für sich dazu sein und immer hinter dem zu stehen, was man tut, finde ich eigentlich einen schönen Gedanken. Für das eigene Glück verantwortlich zu sein und es nicht jemand anderen aufzulasten, ist doch die beste Voraussetzung dafür, dass es in Zukunft dann auch mit einem Fremden klappen kann.
Folge ZEITjUNG auf Facebook, Twitter und Instagram!
Bildquelle: Andrew Vargas unter CC BY 2.0