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Post-Sex-Blues: Warum manche Frauen nach dem Sex weinen

Es gibt viele Dinge, die in der Kombination erstmal seltsam klingen und dann bei genauerem Nachdenken irgendwie doch möglich sind. Dazu gehören Pommes mit Softeis, Rotwein mit Popcorn und ein Orgasmus mit Tränen. Der unerwartete Gefühlsausbruch führt bei den meisten Beteiligten erstmal zu Irritation – das muss es aber gar nicht.

Big girls don’t cry?

 

Wenn schon nicht über Intimität, dann mindestens über die Hormone und körperliches Wohlbefinden: Sex ist wohl die schönste Nebensache der Welt. Oxytocin macht uns zu Kuschelhasen und mindert Angstgefühle, Dopamin macht uns glücklich, Adrenalin weckt unsere Sinne und gibt uns das Gefühl, elektrisiert zu sein. Und dazu kommen viele, viele Endorphine, die uns einfach auf Wolke 7 schweben lassen. Gerade in der heutigen Zeit, in der der weibliche Orgasmus wiederentdeckt wird, sollte man doch meinen: big girls don’t cry.

Trotzdem kann es nach dem Geschlechtsverkehr zu negativen Emotionen kommen. In der Fachsprache wird diese ungewohnte Reaktion postkoitale Dysphorie genannt. Eine Dysphorie ist laut Duden eine Störung des emotionalen Erlebens ohne Krankheitswert oder eine ängstlich-bedrückte, traurige, mit Gereiztheit einhergehende Stimmungslage.

Fast jede zweite Frau kennt den Post-Sex Blues.

 

Tatsächlich haben WissenschaftlerInnen bis jetzt nur herausgefunden, dass dieses Phänomen ziemlich häufig vorkommt. Die australischen ForscherInnen Robert Schweitzer, Jessica O’Brien und Andrea Burri haben in ihrer zugegeben eher kleinen, quantitativen Studie 230 heterosexuelle Studentinnen befragt. Das Ergebnis: Fast die Hälfte hat eine postkoitale Dysphorie bereits erlebt und für zwei Prozent gehören Tränen sogar eher zum Normalfall als zur Ausnahme.

Gleichwohl ist nicht geklärt, woher dieser Post-Sex Blues kommt. Eine Hypothese lautet, dass Kindheitstraumata wieder reaktiviert werden. Obwohl Missbrauch den größten Risikofaktor darstellt, trifft dies in der Studie nur für einen sehr geringen Teil der Probandinnen zu. Wir können euch also beruhigen: Nicht jede Frau, die nach dem Sex unglücklich scheint, ist es demnach auch.

Tränen nach dem Sex sind ein „orgastic relief“

 

Eine andere Vermutung ist, dass dieses Down nach dem Up einfach eine Art emotionalen Loslassens darstellt. Die Frauen fühlen sich dann so befriedigt und gut aufgehoben, dass auch alle emotionalen Mauern fallen. Eine Bekannte, die nach dem Sex häufiger weint, erklärt, dass diese Gefühlswallung schlichtweg ein Zeichen ihrer absoluten Entspannung sei. Und auch die umfassendste Sexualfibel,  der Hite Report von 1976 (3000 Amerikanerinnen haben ihre Wünsche und Erfahrungen darin geteilt), erklärt das Phänomen als „orgastic relief“. An Männer (die Studie wurde ja nur mit heterosexuellen Frauen durchgeführt) sind Tränen in dem Fall also eher ein Kompliment – auch wenn der Körper erstmal etwas anderes signalisiert.

Was außerdem im Sample der aktuellen Studie auffällt. Jene Studentinnen, die grundsätzlich mehr auf ihre Mitmenschen achten und empathischer sind, berichten ebenfalls häufiger von Post-Sex-Blues Symptomen. Grund dafür könnte sein,  dass die Frauen gefühlsmäßig quasi so eng mit ihrem Partner verschmelzen, dass sich das sexuelle Ende wie eine Trennung anfühlt. Auf Grundlage der Ergebnisse halten die SexforscherInnen aber auch genetische Faktoren für möglich – doch dafür war die Studie schlichtweg nicht tief genug.

Gerade in einer Zeit, in der der weibliche Big O wieder entdeckt wird, haben viele eher das Bild von erschöpften, aber selig und zufrieden nebeneinander liegenden Körpern nach dem Sex. Doch unsere physiologischen und emotionalen Reaktionen darauf sind höchst persönlich und individuell. Das beginnt beim für uns Frauen unerklärlichen Drang von Männern, nach dem Sex einzuschlafen, geht über Körperzittern, weil es sich anfühlt, als würden alle Nervenbahnen auf einmal explodieren, und geht eben so weit, dass auch mal eine Träne fließt.

 

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Bildquelle: I’m Priscilla unter CC0 Lizenz