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Smile or Die: Warum wir öfter mal negativ denken sollten

„Jetzt sei doch nicht immer so negativ.“ – Wer diesen Spruch schon einmal gehört hat, weiß, wie wenig hilfreich solche Kommentare in der Regel sind. Positives Denken hingegen wird als Wunderheilmittel und Lösung für alle Probleme (vom Trennungsschmerz bis zum Weltkrieg) angepriesen. Dabei kann das Dauergrinsen zum gefährlichen Zwang werden.
 

Optimismus vs. positives Denken

 
Mit Optimismus verbinden wir in der Regel eine gute Lebenseinstellung, bei der Probleme betrachtet und gelöst, aber keinesfalls verdrängt werden. Fällt jedoch der Begriff des positiven Denkens, verdrehen viele Menschen die Augen. Er geht uns auf die Nerven. Die Flut von Motivationsratgebern, Mentaltrainern und Persönlichkeitscoaches zwingt uns beständig das Gefühl auf, dass nur positives Denken zu einem erfüllten Leben führt. So sehr, dass der Gute-Laune-Zwang oft nicht mehr weit entfernt ist. Wir selbst ermahnen uns ebenso oft dazu, negative Dinge zu ignorieren, wie unsere Mitmenschen dies tun. Ergebnis sind nicht selten Wut und Aggression. Wer will schließlich zu hören bekommen, die Dinge von der guten Seite zu sehen, wenn gerade die Oma gestorben ist.
 

Darum brauchen wir negative Gefühle

 
Wissenschaftler konnten die Auswirkungen positiven Denkens auf Psyche und Körper nachweisen. Was wir aus unserem Leben machen hängt also in wesentlichen Teilen davon ab, wie wir darüber denken. So kommt es viel eher darauf an, die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen Quelle:http://www.mein-wahres-ich.de/horoskop). So weit, so gut. Doch wenn das positive Denken zum Zwang wird, dem wir uns selbst aussetzen, kommt es zum krampfhaften Unterdrücken negativer Emotionen und Gedanken. Sind Trauer, Wut oder Verzweiflung aber nicht ebenso natürlich wie Freude und Glück? Nicht umsonst sind uns die Menschen suspekt, die trotz ständiger Rückschläge mit einem Dauergrinsen durch die Gegend laufen. Unangenehme Gefühle sind nicht unbedingt schädlich (vorausgesetzt, man klammert sich nicht daran fest). Im Gegenteil: Sie sind ebenso notwendig für die Orientierung im Leben wie Glücksgefühle. Schlechte Gedanken können uns dabei helfen, Traumata und Ängste zu überwinden. Menschen mit Ängsten kann es beispielsweise helfen, alle Situationen durchzuspielen, die schiefgehen können. Der defensive Pessimismus hilft ihnen aus der Unsicherheit, während ein ermahnendes: „Denk doch mal positiv.“ meist das Gegenteil bewirkt. Wer also das Gefühl hat, sich ganz nach dem altbekannten Klischee einmal bei einem Becher Eis und einer Schnulze ausheulen zu müssen oder sich einmal ordentlich über den lautstarken Nachbar aufzuregen und zu jammern, sollte dies tun – der eigenen Psyche zuliebe.
 

Die Gefahr des positiven Denkens

 
Der Wahn des positiven Denkens, der von zahlreichen Motivationskursen und Ratgebern fleißig befeuert wird, kann den Menschen das Leben schwermachen, die ein ausgewogenes Verhältnis zu ihren Gefühlen haben. Wir alle wissen, wie gut es sich anfühlen kann, mal laut zu fluchen und Wut zu zeigen. Zwanghaftes Glück wirkt daneben wie eine schlechte Lösung. Tatsächlich konnten Forscher herausfinden, dass künstliches Lächeln dieselben Gehirnregionen aktiviert wie andere negative Gefühle. Von gesund kann also keine Rede sein. Stattdessen fühlen sich viele Menschen von der ständigen Suche nach dem Glück und den positiven Gedanken mehr und mehr gestresst. Je mehr das positive Denken an Beliebtheit gewinnt, desto mehr nehmen wir unser eigenes Innenleben unter die Lupe und kommen meist zu dem vernichtenden Schluss, nicht positiv genug zu sein. Dabei ist dies nur selten der Fall. Vielleicht hilft es, sich hin und wieder selbst daran zu erinnern, dass auch all die negativen Gedanken und Gefühle ihren Zweck haben.

 

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Bildquelle: Christopher Campbell unter CC0 Lizenz