Zahlen auf einer Anzeigetafel. Bild: Unsplash

Social-Scoring: Ein (a)soziales System?

Was ist gerecht? – Social Scoring in Deutschland?

Die EU fordert angesichts der Auswüchse dieses Systems ein vorsorgliches Verbot eines Scoring-Systems. Jedoch gehen Bewertungssysteme, die sich nach einem bestimmten errechneten Wert richten, nicht nur von Regierungen aus. Auch hierzulande finden durch Unternehmen Einschätzungen anhand eines Scoring-Systems statt. So nutzen sogenannte „Auskunfteien“ wie die Schufa die Informationen und Daten über das Zahlungsverhalten. Dabei wird ebenfalls ein bestimmter Wert ausgerechnet, der die Kreditwürdigkeit einer Person angeben soll. Dieses sogenannte „Finanz-Scoring“ unterscheidet sich jedoch maßgeblich vom „Social-Scoring“, nicht zuletzt, da die Art und Weise, wie ein solcher Score zustande kommt, nicht bekannt ist.

Und ebenso finden sich in Deutschland viele Befürworter*innen einer umfassenderen Überwachung durch Apps und Unternehmen. Insbesondere in Bezug auf moderne Krankenversicherungs- und Kfz-Tarife wird diskutiert, ob eine Verringerung der Beiträge bei verantwortungsvolleren Verhalten wünschenswert wäre. So geben einer Umfrage aus dem Katapult-Magazin (Ausgabe Juli-September 2021) zufolge etwas mehr als ein Drittel der Befragten an, sie würden ein Sozialsystem nutzen, in dem persönliche Verhaltensweisen berücksichtigt würden. Im Bereich der Krankenkassensysteme würde so ein Nichtraucher, der auch entsprechend wenig Alkohol konsumiert, ausreichend schläft und Normalgewicht hat, weniger zahlen als Menschen, die keinen gesunden Lifestyle pflegen. Als Argument wird dabei hauptsächlich angeführt, dabei durch das eigene Verhalten Geld sparen zu können. Zudem wäre es gerechter und hätte außerdem noch den positiven Effekt, dass die Menschen dazu angehalten werden, einer gesünderen Lebensweise nachzugehen.

Hierbei sollte jedoch bedacht werden, wie ungerecht ein solches System sein könnte. Denn ist man wirklich selbst dafür verantwortlich, wie viel man schlafen kann oder wie gesund man insgesamt lebt? Welche Rolle spielt dabei die psychische Gesundheit? Sollte man auf Genussmittel zugunsten eines guten Scores verzichten? Und was ist eigentlich mit Menschen, die krankheitsbedingt Probleme beim Abnehmen oder Schlafen haben? Wäre es wirklich gerecht, deren Verhalten anhand derjenigen Richtlinien, die auch für gesunde Menschen gelten, zu bewerten? Man sieht also schon, dass bei einem solchen Vorhaben so viele Variablen berücksichtigt werden müssten, dass es schier unmöglich ist, ein gerechtes „Scoring-System“ im Versicherungsbereich zu etablieren. Angesichts dieser Tatsache und in Anbetracht des Missbrauchs von Sozialkrediten in China ist es schon erstaunlich, wie schnell wir bereit sind, unsere Freiheiten und den Schutz der Privatsphäre aufzugeben, wenn die Aussicht auf eine finanzielle Belohnung besteht. 

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