Spicken in Corona-Zeiten: Mit Kreativität und Risikobereitschaft

Immer fester umklammern die Finger den Stift, der aus der feuchten, zittrigen Hand zu rutschen droht. In der Brust hämmert immer schneller der Herzschlag. Auf der Oberlippe bilden sich kleine Schweißtröpfchen, die man mit Ärmel des viel zu warmen Hoodies gehetzt wegwischt und aufsaugt. Hoffnungsvoll und vorsichtig wandert der Blick langsam nach rechts, zum Platz des Nachbarn. Doch da sitzt niemand. Denn es ist Corona. 

Klar, auch vor Corona gab es bei Klausuren Regeln, die Schüler*innen und Studierende beim Spicken vor Herausforderungen gestellt haben. Wenn da überhaupt noch Spielraum für Experimente war, wurde uns der spätestens jetzt spießig und spaßlos genommen. Bei zwei Metern Abstand kann man den hektisch hingekritzelten Lösungsweg der Leidgenossen noch schlechter entziffern und der gute alte Spicker auf der Handfläche verblasst selbst bei wasserfestem Permanentmarker, wenn man die Hände vor der Prüfung mindestens 30 Sekunden mit Seife schrubben muss. Die Tische und die darauf geschmierten Notizen werden vor und nach jeder Prüfung gereinigt und mit Spickzetteln versehene Taschenrechner und Stifte werden desinfiziert und kontrolliert.

Das hört sich erstmal alles ziemlich deprimierend und ernüchternd an. Doch lasst uns die Hoffnung für die näherrückende Prüfungsphase nicht vorschnell aufgeben! Denn wir haben ein paar Vorschlägen, die den verzweifelten und risikofreudigen Prüflingen da draußen in größter Not Abhilfe schaffen könnten. Dafür erforderlich ist vor allem die Mitarbeit und Aufopferung aller barmherzigen Klassenbesten und kollegialen Streber*innen.

GROSS UND DEUTLICH

Nun ja, es ist eigentlich ganz einfach. Proportional zum Abstand zwischen den Sitzplätzen muss auch die Schrift auf dem Prüfungsbogen größer werden. Und zwar so groß, dass sogar noch der Mitschüler zwei Plätze weiter links mit der dicken Brille die Schrift erkennen kann. Und bitte deutlich schreiben. Das missverständliche Geschmiere kann ja sonst niemand lesen. Außerdem hilft es, die Seiten zwischendurch ganz provokant, aufgeschlagen wie ein Buch, vor sich hochzuheben, damit die hinteren Reihen auch mal einen Blick erhaschen können. 

„Huch, ich Tollpatsch!“

Der folgende Vorgang erfordert ein hohes Maß an Gruppendynamik und ist daher vor allem gut befreundeten Schüler- und Studentenpärchen zu empfehlen. Schüler*in A löst auf einem separaten Blatt die Aufgabenstellung einer Klausurenfrage und beschriftet dieses mit dem Namen von Schüler*in B. Dann lässt er oder sie das Blatt ausversehen, vor lauter Hektik im Prüfungsstress fallen. Schüler*in B ruft dann laut, deutlich und überzeugend etwas wie „Ups, kannst du mir bitte mein Blatt da auf dem Boden wiedergeben“ durch den Raum und bekommt den richtigen Lösungsweg seines*r noblen Lebensretters*in.

Maskenschmuggel

Mit jedem neuen Accessoire, das wir am Körper tragen, entsteht eine neue Schmuggel-Möglichkeit für Spickzettel. So bringt uns die sonst so lebenserschwerende Mund-Nasen-Maske nun doch noch was. Die darf man während einer Prüfung nämlich erst am Platz abnehmen und auch dann wird sich jede Aufsichtsperson davor ekeln, die vollgespuckten und wegen mangelnder Hygiene angeprangerten Stoffteile genauer zu untersuchen. Profitip: Manche Masken haben sogar eingenähte Taschen für Luftfilter, die sich prima durch beschriftete Papierzettelchen ersetzen lassen.

*hust*

In Multiple-Choice-Prüfungen können auch Geräusche von Nutzen sein. Entweder man legt im Voraus bestimmte Geräusche (Räuspern, Husten, Schniefen) für bestimmte Antwortmöglichkeiten fest oder man überträgt die Frequenz der Geräusche auf die Position der Wahloptionen. Einmal husten: Antwort A. Zweimal husten: Antwort B; und so weiter. Schwierig wird das spätestens bei mehr als fünf Antwortmöglichkeiten. 7 Mal husten je Frage würde zu Corona-Zeiten vielleicht eher Aufmerksamkeit und Besorgnis erregen.

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Bildquellen: Pexels