Spotlight-Effekt: Hilfe, ich stehe im Mittelpunkt!

Vermutlich war jede*r von uns schon in der einen oder anderen Situation, in der wir vor Peinlichkeit am liebsten im Boden versunken wären. Das Gefühl, nach einem unangenehmen Missgeschick von allen Seiten angestarrt zu werden, macht die Situation auch nicht gerade besser. Was es mit dem sogenannten „Spotlight-Effekt“ auf sich hat und warum wir von unserer Wahrnehmung dabei oft getäuscht werden, erfahrt ihr hier.

Der Spotlight-Effekt ist ein psychologisches Phänomen, welches besagt, dass Menschen insgesamt dazu neigen, sich viel häufiger im Mittelpunkt des Geschehens zu sehen, als es eigentlich der Fall ist. Besonders in Situationen, in denen unsere Schwächen hervorgehoben werden oder uns mal wieder etwas Peinliches widerfährt, setzt das Gefühl ein, sich im Zentrum aller Aufmerksamkeit zu befinden. Im sprichwörtlichen Rampenlicht also, wie der Name es bereits vermuten lässt. Aber sind wir eigentlich nicht alle genug mit uns selbst beschäftigt?

All Eyes on me

Egal, ob du gerade der falschen Person zugewunken hast, über die eigenen Füße gestolpert bist oder beim Ausparken mal wieder fast einen Unfall gebaut hättest: Der erste Seitenblick gilt meistens den Menschen um dich herum. Denn schließlich ist die Situation auch so schon peinlich genug, da braucht es nicht auch noch ungebetene Zuschauer*innen. Aber haben wir diese überhaupt?
Tatsächlich handelt es sich beim Spotlight-Effekt um ein Beispiel für kognitive Verzerrung. Denn unser subjektiver Blick auf die Welt lässt sich nicht so leicht ablegen. Durch die Fokussierung auf die eigene Person sind es also eigentlich wir selbst, die den Scheinwerfer auf unser scheinbares Versagen richten. In der Annahme, die anderen täten es genauso, verurteilen wir uns für das, was uns gerade widerfahren ist. In angenehmen Situationen passiert uns das dagegen deutlich seltener als in solchen, die uns peinlich sind.

Dieser Sachverhalt konnte sogar bereits in einigen Studien nachgewiesen werden. Bei einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 beispielsweise wurden die Teilnehmer*innen in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt, die jeweils T-Shirts mit unterschiedlichen Aufdrucken bekannter Persönlichkeiten tragen sollten. Die erste Gruppe wurde mit einem vergleichsweise „peinlichen“ Motiv ausgestattet, denn der Sänger Barry Manilow, dessen Musik zu dieser Zeit schon längst als „out“ galt, zierte ihre T-Shirts. Die zweite Gruppe dagegen konnten zwischen verschiedenen Persönlichkeiten, wie beispielsweise Reggae-Sänger Bob Marley oder Bürgerrechtsaktivist Martin Luther King, wählen. Diese galten zum Zeitpunkt der Studie weitläufig als wesentlich „cooler“ als Barry Manilow. Durch die eigene Auswahlmöglichkeit konnte zusätzlich sichergestellt werden, dass sich die jeweiligen Personen stärker mit ihrem jeweiligen Aufdruck identifizieren konnten als die Teilnehmer*innen der ersten Gruppe. Das Ergebnis zeigte, dass viele Personen weniger auf den jeweiligen Print achteten als zuvor erwartet. Tatsächlich konnte sich nach dem Zusammentreffen nur etwa ein Viertel an den Aufdruck der jeweils anderen Gruppe erinnern. Besonders die Personen mit dem Barry Manilow-Shirt hatten mit deutlich mehr gerechnet.

Alles halb so wild

Dass wir in peinlichen Situationen oft wesentlich strenger mit uns selbst sind als sonst, hängt stark mit dem Bedürfnis zusammen, von anderen gemocht zu werden und ihre Anerkennung zu erhalten. Wir möchten nicht, dass sie einen schlechten Eindruck von uns bekommen und fallen daher nur ungern auf. Zumindest in einer Art, die wir so eigentlich nicht geplant hatten. Haben wir das Gefühl, die Situation nicht selber bestimmen und kontrollieren zu können, sind wir oft verunsichert und bilden uns ein, alle um uns herum würden das ebenfalls bemerken.

Während wir in unserem eigenen Kopfkino also die Hauptdarsteller*innen sind, sieht das in der Realität eigentlich ganz anders aus. Durch den auf uns selbst fokussierten Blick vergessen wir oft, dass es unseren Mitmenschen genauso geht wie uns. Denkt man noch einen Schritt weiter, ist also jede*r viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass wir unsere Aufmerksamkeit auf kleine Patzer der anderen richten würden. Denn während man selbst sich gerade die geplatzte Kaugummiblase aus den Augen wischt, ist unser Gegenüber vermutlich viel mehr mit dem Gedanken an eigene peinliche Ausrutscher beschäftigt, als auf unser Malheur zu achten.

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Bildquelle: Tima Miroshnichenko via Pexels; CC0-Lizenz