Chronisches Zuspätkommen

Auf Spurensuche: Wieso wir chronisch zu spät dran sind

Schubladendenken ist scheiße

Was sagt uns diese Einteilung? Klar, alles in Kategorien stecken zu wollen ist doof und jeder „Zuspätkommer“ hat seine (meist nur aus der eigenen Sicht) nachvollziehbaren Gründe ein paar Minuten oder auch Stunden zu spät zum vereinbarten Treffpunkt zu erscheinen, aber diese Einteilung könnte Leuten wie mir, die versuchen, die Spezies der „Bin gleich da!“-Sager zu verstehen, helfen.

Wir sind ja schließlich auch selbst daran schuld: Unsere Generation hat den perfekten Acker für die Pflänzchen der Unpünktlichkeit gehegt und gepflegt. „Nine to five“-Jobs sind uncool und Flexibilität von Arbeit, Beziehungen und Freundschaften wird ganz, ganz groß geschrieben. Da kann es schon mal passieren, dass uns der feste Termin um Punkt drei bei Omi und Opi vollkommen überfordert. Seltsamerweise kommt hinzu, dass wir uns, was unser Studium und die angestrebte Karriere angeht, furchtbar abhetzen: Abi mit 18, Bachelor mit 21, schnell in’s Ausland und den Master obendrauf schustern. Im täglichen Zusammenleben bleibt bei den ganzen Hausarbeitsabgaben vielleicht einfach kein Platz mehr für fristgerechtes Verhalten. Die Konsequenz: Wir hetzen uns ab und suchen in einer der obigen Kategorien Entschuldigungen für unsere Verspätung – vielleicht haben wir dieses System aber selbst zum Laufen gebracht und wahrscheinlich ist Pünktlichkeit schon bald überhaupt kein Wert mehr. Die nicht besonders waghalsige Zukunftsprognose lautet also: Pünktlichkeit steht jetzt schon vor der geschlossenen Tür unseres WG-Zimmers und unsere Kinder werden wahrscheinlich gar keine Gedanken mehr daran verschwenden.

„Sorry!“

Soviel zu den Gründen fürs „Termine nicht ganz so genau nehmen“, aber ist es deswegen in Ordnung? Ganz klar, hier muss eine Linie gezogen werden – aber so einfach ist das leider nicht: Wo hört das „Termine verschusseln“ auf und wo fängt das „Termine absichtlich ignorieren“ an? ZEITjUNG würde es nie wagen, diese Linie für euch zu ziehen, nicht mal einen gestrichelten Pfeil in die richtige Richtung möchten wir euch anbieten, denn hier macht die abgedroschene Phrase aus Behörden, Politik und Co. endlich Sinn: Das muss für den konkreten Einzelfall beschlossen werden.

Und genau so ist es: Du solltest den verspäteten Freund X nicht gleich als desinteressiert abstempeln und oben erwähnte Freundin D hat vielleicht wirklich alles versucht, um die frühere U-Bahn doch noch zu erwischen. Wer weiß das schon so genau? In schwachen Momenten treibt uns fremde Unpünktlichkeit leider trotzdem in den Wahnsinn, denn das wahre Problem ist doch eigentlich das Gefühl, das bleibt, nachdem man zu lange auf jemanden gewartet hat. „Bestellt und nicht abgeholt“ zu werden ist keine coole Sache und zwischenmenschliche Wertschätzung wird auch in Form von Pünktlichkeit ausgedrückt – so wurde uns das schon im Kindesalter eingebläut und das Gefühl, das wir haben, wenn die Verabredung zum hundertsten Mal nicht eingehalten wird, beweist, dass da was dran ist. Also, falls es das nächste Mal vielleicht doch noch ganz knapp möglich wäre, die frühere Bahn zu erwischen, ist Beeilen angesagt – falls alles nicht hilft, kann auch eine aufrichtigere Entschuldigung anstatt des klassischen „Sorry, bin zu spät!“ helfen.

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Titelbild: Jared eberhardt über CC BY 2.0, (1), (2) Jared eberhardt über CC BY 2.0 (3) Joe St. PierreInstagramFacebookFlickr. (4)  iulia Pironea über CC BY 2.0