Frauen im Kreis

Konkurrenzgefühl unter Frauen: Warum werden wir es nicht los?

Stutenbissigkeit ist ein Wort, von dem wir alle gehofft haben, dass es nur noch im Duden, aber nicht mehr in der Realität existiert. Dem ist allerdings nicht so. Weswegen das Konkurrenzgefühl unter Frauen auch im 21. Jahrhundert noch andauert, lest ihr hier.

Ich bin ehrlich: Ich wollte diesen Artikel schon seit einiger Zeit schreiben, aber ich hatte Angst davor, an dieses Thema heranzutreten. Angst davor, dass ich vielleicht die einzige Frau bin, die noch so empfindet, und dass ich mich deswegen lächerlich mache und als eine Person abgestempelt werde, an der das Wort „Feminismus“ in den letzten Jahren komplett vorbeigegangen ist.

Aber in der Hoffnung, dass ich nicht die einzige bin, der es so geht, schreibe ich diesen Artikel jetzt einfach trotzdem. Wir steigen mit einer kurzen Geschichte ein.

Gestern war ich in Cali – der Salsa-Hauptstadt Kolumbiens – in einer Salsa-Bar und ich habe eine junge Frau wiedergetroffen, die ebenfalls durch Kolumbien reist und mir vor einigen Wochen schon einmal begegnet ist.

Und irgendwie mochte ich sie von Anfang an nicht besonders gern. Sie war zwar nett, aber irgendetwas hat mich davon abgehalten, sie näher kennenlernen zu wollen oder sie wirklich zu mögen.

Und insgeheim wusste ich auch sofort, woran das lag: nämlich in erster Linie daran, dass sie wunderschön ist. Ich habe mich nur zu sehr für diesen Gedanken in Kombination mit meinem Urteil über sie geschämt, um mir einzugestehen, dass ihre Schönheit eigentlich der einzige Grund ist, warum ich sie trotz aller Freundlichkeit nicht besonders mochte.

Nun habe ich sie gestern in dieser Salsa-Bar wiedergetroffen, und mein erster Gedanke, als ich sie gesehen habe, war: Oh nein, nicht auch das noch. Obwohl sie mir nie irgendetwas getan hat. Im Gegenteil: Sie war wirklich, wirklich nett. Und trotzdem war sie mir nicht sonderlich sympathisch.

Als ich sie gestern wiedergetroffen habe, war ich sowieso schon eingeschüchtert von den ganzen Kolumbianer*innen in dieser Bar, die selbstverständlich alle perfekt Salsa tanzen konnten – ganz im Gegensatz zu mir. Als ich sie dann gesehen habe, war ich noch eingeschüchterter. Einerseits, weil sie – wie bereits gesagt – wirklich wunderschön ist, und andererseits, weil sie – wie sich herausgestellt hat – auch noch perfekt Salsa tanzen konnte. Quasi genau so gut wie die Kolumbianer*innen selbst.

Ich glaube, dass diese junge Frau genau die zwei Punkte in mir getriggert hat, die üblicherweise ein Konkurrenzgefühl unter Frauen auslösen. Zum einen war es ihre Schönheit, zum anderen war es die Tatsache, dass tanzen zu können wohl eine der Fähigkeiten ist, die als besonders weiblich erachtet werden und darum bei Frauen als besonders toll gelten.

Und was ist meistens der Grund, warum Frauen sich mit anderen Frauen vergleichen und ausgerechnet in diesen Hinsichten ein derartiges Konkurrenzgefühl verspüren? Richtig, Männer.

Damit meine ich zwar nicht nur, aber auch Situationen, in denen nur ein attraktiver und sympathischer Mann anwesend ist, und in denen es irgendwie darum geht, diesen Mann für sich zu gewinnen. Denn, seien wir mal ehrlich: Es gibt nun einmal meistens deutlich mehr attraktive Frauen als es attraktive Männer gibt. Also eigentlich kein Wunder, dass Frauen das Gefühl bekommen, im Kampf um diesen einen attraktiven, sympathischen Mann, der sogar halbwegs Grips hat, gegeneinander antreten und einander ausstechen zu müssen. Folglich auch kein Wunder, dass man bei Frauen, die durch ihre Fähigkeiten entweder besonders toll oder aufgrund ihres Aussehens besonders schön sind – oder sogar beides – ein größeres Konkurrenzgefühl empfindet und sie darauf basierend für weniger sympathisch hält, als es bei einer Frau der Fall wäre, die weder sonderlich begabt noch sonderlich attraktiv ist.

Alles völlig logisch. Und trotzdem ist es scheiße.

Aber, wie gesagt: Nicht nur in Situationen, in denen es darum geht, einen Mann für sich zu gewinnen, weil man ihn tatsächlich attraktiv und sympathisch findet, schaltet sich dieses Konkurrenzgefühl ein.

Im Prinzip in jeder Situation, in der ein Mann eine Entscheidung für die eine und gegen die andere Frau trifft, ist das Gefühl von Konkurrenz unter Frauen präsent. Und da wir noch immer in einer Welt leben, in der Männer die Chefs sind, und die somit schlichtweg männlich dominiert ist, gibt es ziemlich viele Situationen, in denen dieses Szenario auftritt. An dieser Stelle gibt es noch eine Mini-Geschichte:

Ich habe vor einiger Zeit erfahren, dass der (männliche) Chef einer Organisation, die ich als Kundin unterstützt habe, die weiblichen Angestellten, die er heiß findet, besser bezahlt als die, die er weniger heiß findet. Eigentlich ist das ein Skandal – aber ich glaube, dass ebendies in der männlich dominierten Welt, in der wir leben, viel normaler ist, als man glaubt. Selbstverständlich sind die Frauen in diesem Unternehmen dementsprechend um die Gunst dieses einen Mannes bemüht.

Also auch hier wieder: Alles völlig logisch. Und trotzdem ist es immer noch scheiße.

Solange wir in einer Welt leben, in der Männer so viel Macht haben, dass sie für überproportional viele Entscheidungen verantwortlich sind, die Frauen betreffen, und Männer sich somit in verschiedenen Szenarien völlig problem- und folgenlos für die schönsten Frauen und gegen die weniger schönen Frauen entscheiden können, wird das Konkurrenzgefühl unter Frauen andauern.

Worauf wir also hinarbeiten müssen, ist eine Welt, in der Männer und Frauen tatsächlich gleichberechtigt sind, was ihre Entscheidungsmacht angeht.

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Bildquelle: Foto von RF._.; CC0-Lizenz