Frauen sind in vielen Berufen immer noch unterrepräsentiert

Frauen in Männerberufen: „Wieso eigentlich nicht?“

Technik ist für Jungs, Mädchen können das nicht. Die Vorurteile sind hartnäckig, die Rollenbilder klar verteilt. Auch wenn die nur wenig mit der Realität zu tun haben, beeinflussen sie viele junge Mädchen. Wie es für Frauen ist, in einer Männerdomäne zu arbeiten: Anna* und Valentina erzählen.

„Einmal bin ich in der Arbeit ans Telefon gegangen. Als der Kunde an der Stimme erkannt hat, dass ich eine Frau bin, hat er nach einem männlichen Mitarbeiter verlangt“, erzählt die Fahrradmechatronikerin Anna. Sie ist gelassen und klingt abgeklärt. „Ich versuche, solche Situationen einfach zu ignorieren oder mit Humor zu nehmen.“ In der Werkstatt ist sie eine von drei Frauen.

So wie Anna geht es vielen Frauen: Es gibt einige Berufe, in denen nur wenige Frauen arbeiten oder eine Ausbildung machen. Klar definiert ist „der Männerberuf“ nicht. Von Männern dominiert ist aber vor allem das Baugewerbe. Hier sind fast neun von zehn Beschäftigten Männer (1,6 Millionen). In den Bereichen Verkehr und Lagerei und im verarbeitenden Gewerbe sind drei von vier Beschäftigten männlich (1,3 bzw. 5,1 Millionen). Das geht aus einer Statistik der Agentur für Arbeit hervor. Laut der Initiative „Klischee Frei“ entscheiden sich Männer in erster Linie für handwerklich-technische Berufe. Frauen, die in einem solchen Beruf arbeiten, werden oft nicht ernst genommen und haben mit Diskriminierung zu kämpfen.

Rollenbilder sind tief in der Gesellschaft verankert

Anna kann nachvollziehen, wieso so wenig andere Mädchen in technisch-orientierte Berufe gehen. „Das hängt ganz stark von der Gesellschaft ab. Mathe, Technik und Schmutz sind eben Jungs-Sache.“ Anna arbeitet zwischen Werkbank, Werkzeug und Montageständer. „Es ist laut, dreckig und riecht überall nach Gummi“, erzählt sie. „Und Mädchen dürfen eben nicht im Dreck rumrobben.“ Anna ist sich sicher: Mädchen haben gar nicht die Chance, Technik zu erleben.

Das DIW Berlin befragte 2020 264 Schülerinnen und Schüler im Alter von 12 bis 14 Jahren, ob sie sich einen Beruf im technischen Bereich vorstellen können. Etwa 32% der Mädchen können es sich gar nicht vorstellen, 35% eher nicht. Diese Zahlen hängen mit festgefahrenen Rollenbildern und Vorstellungen zusammen. Und das ist ein gesellschaftliches Problem.

Valentina ist Zerspanungsmechanikerin. Sie fertigt Bauteile aus unterschiedlichen Werkstoffen an. „Alles riecht nach Metall, wenn man nach Hause kommt“, erzählt sie. „Das Erste, was man macht, ist duschen.“ In Valentinas Lehrjahr gibt es zwei andere Frauen. „Es kommen fast tagtäglich irgendwelche Sprüche oder Frauenwitze“, erzählt sie. Stören würde sie das jedoch nicht. „Sollen sie halt machen, dann kontere ich und sage eben einen dummen Spruch über Männer. Die Jungs reden untereinander ja auch so. Wenn sie mit mir auch so sprechen, ist das ja gleichberechtigter, als wenn sie mich mit Samthandschuhen anfassen würden. Spaß muss eben auch sein.“ Valentina liebt ihren Job. „Manchmal fühlt man sich wie ein Detektiv, wenn man nach dem Fehler in der Maschine sucht.“ In ihrer Stimme steckt Begeisterung.

Negative Erlebnisse und Ungleichheit sind trotzdem keine Seltenheit. Laut einer repräsentativen Studie der Antidiskriminierungsstelle aus dem Jahr 2015 fühlen sich 9,2% der Befragten aufgrund des Geschlechts diskriminiert. Dabei zeigt sich, dass der Anteil der Personen, die eine Geschlechtsdiskriminierung erlebt haben, bei Frauen mit 14,9% knapp fünfmal so hoch ist wie bei Männern.

„Ich bin ja nur eine Frau“

Kurz vor ihrer Abschlussprüfung hatte Valentina eine fachliche Frage und wurde von ihrem Arbeitskollegen ignoriert. „Der dachte sich eben, dass es eh egal ist, ich bin ja nur eine Frau. Wäre ja vergeudete Zeit. Erst, als er mitbekommen hat, dass ich Abitur habe, hat er mich ernst genommen und mir meine Frage beantwortet.“ Auch Anna hat etwas Ähnliches erlebt.

„Einmal hatte ich eine Kundin vor mir, die ein Teil für ihr Fahrrad kaufen wollte. Ich habe sie gefragt, ob sie es selber einbauen möchte oder ob die Werkstatt das erledigen soll. Ihre Antwort war, ob ich jemals eine Frau gesehen hätte, die ein Fahrrad reparieren kann.“ Annas Stimme ist gelassen, ein wenig resigniert. Danach habe die Kundin gelacht, es sollte wohl ein Scherz sein. Diskriminierung, bunt angemalt in den Farben eines Witzes. „Doch da beginnt die Ungleichbehandlung“, sagt Anna.

Einen positiven Trend gibt es jedoch trotzdem zu vermerken. Die Ergebnisse einer weltweiten Studie von LinkedIn zeigen, dass immer mehr Frauen in „Männerberufen“ eingestellt werden. Durch Aktionen wie den Girls’Day können sich junge Frauen klischeefrei orientieren. Die Debatte um Sexismus und Diskriminierung hat in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung erhalten.

„Ich hätte gerne mehr Kolleginnen“, sagt Anna. „Man merkt schon, dass Frauen eine andere Dynamik reinbringen“, findet sie. „Kleine Veränderungen würden schon viel bewirken“, ist sich Valentina sicher. Die Frauenumkleiden sind beispielsweise viel weiter weg, weil sie nachträglich hinzugefügt wurden. „Was mich auch nervt“, beginnt Valentina und lacht. „Wenn ich in der Arbeit aufs Klo muss, muss ich mich komplett aus dieser Latzhose schälen. Das dauert ewig. Die Jungs haben da drei Knöpfe, die sie öffnen müssen und fertig. Da würde es bestimmt andere Möglichkeiten geben.“

Anna und Valentina sind sich einig: Sie sind durch ihren Job selbstbewusster geworden. „Jetzt kann ich auch mal besser mein Maul aufreißen, wenn mir etwas nicht passt“, sagt Valentina. Früher hat sie sich öfter unterkriegen lassen. Sie ist froh, dass sie sich für ihren Job entschieden hat und hofft. Hofft, dass sich mehr Mädchen etwas trauen und sich nicht zu viele Gedanken machen. „Sie sollen sich einfach mal fragen: Wieso eigentlich nicht?“

*Name geändert

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Bildquelle: Tima Miroshnichenko auf Pexels