Stefanie Giesinger auf der Berlinale 2020. Bildquelle: Martin Kraft via Wikimedia; Verwendung unter CC BY-SA 4.0

White Saviorism: Stefanie Giesinger hat aus ihrem Shitstorm gelernt

Die Autorin und Redakteurin Fabienne Sand erklärte in einem Podcast das Phänomen, dass vor allem Menschen europäischer Abstammung zunehmend den Drang verspüren, helfen zu wollen und der Meinung sind, sie könnten Gutes tun, indem sie vor Ort sogenannte „Entwicklungshilfe“ leisten. Dieser sogenannte White Saviorism Complex wurde durch den im Jahr 2012 veröffentlichten Essay The White-Savior Industrial Complex des nigerianisch-amerikanischen Schriftstellers Teju Cole geprägt. Unter dem Begriff White Saviorism versteht er, dass privilegierte weiße Menschen in den globalen Süden reisen und sich dann über Fotos auf Social Media als Retter*innen inszenieren, indem sie Narrative und Denkweisen aus der Kolonialzeit aufgreifen. So implizieren sie jedoch – bewusst oder unbewusst, die Bedürftigkeit der dort lebenden Menschen. So wie es eben auch Stefanie Giesinger mit ihrer Darstellung getan hat.

In ihrer Dokumention „Her Story“ wird u.a. der Aufenthalt in Malawi dokumentiert und zeigt die unmittelbare Reaktion von Stefanie Giesinger und ihrem Team vor Ort, als der Shitstorm begann. Dabei werden ihre gute Absicht, Entrüstung und ihre Tränen darüber in den Vordergrund gestellt. In der Dokumentation wird zudem die white fragility, also weiße Zerbrechlichkeit, deutlich: Die Autorin und Rassismusforscherin Robin DiAngelo etablierte erstmalig den Begriff, der die internalisierte, weiße Überlegenheit beschreibt, die weiße Menschen gegenüber Schwarzen und BiPoc aufrechterhalten, indem ihnen Rassismuserfahrungen abgesprochen werden oder wie im Fall von Stefanie, sehr emotional auf Rassismusvorwürfe reagiert wird. Dabei spielt vor allem die Annahme, dass man als nicht rechtsextreme, offenkundig rassistische Person nicht rassistisch sein kein, ein große Rolle. 

Auch wenn Giesingers emotionale Reaktion grundlegend nachvollziehbar ist, da sie nicht aus einer schlechten Absicht heraus gehandelt hat und ihre Reichweite für etwas Gutes nutzen wollte, konnte sie die Kritik zunächst nicht richtig einordnen und hat sich fälschlicherweise selbst als Opfer der Situation gesehen. Mittlerweile hat sie sich jedoch mit der Thematik dahinter ausführlich beschäftigt und versteht das, was ihr in dem Moment damals ein Rätsel war: Nämlich, dass ihr Auftreten tatsächlich problematisch war und vor allem warum.

Zu Gast bei AufKlo erklärt sie nämlich, dass sie ihr Verhalten nun anders bewertet und die Nachrichten verstehen und nachvollziehen kann. Sie schäme sich dafür, aber habe sich vor der Reise einfach nicht mit Rassismus auseinandergesetzt und sei „colorblind“ gewesen. Wie so viele Menschen sei sie zu dem Zeitpunkt noch im happyland gewesen – Tupoka Ogette beschreibt damit in ihrem Buch „Exit Racism“ den Ort, an dem sich weiße Menschen befinden, bevor sie sich bewusst mit dem eigenen und gesellschaftlichen Rassismus auseinandergesetzt haben. Ihr erging es wie vielen weißen Menschen. Denn aufgrund der Bildungslücke im Bereich Rassismus glauben viele Menschen, dass man bewusst rassistisch sein muss, um rassistisch zu handeln.

Im Vorfeld ihrer Malawi-Reise sei ihr nicht bewusst gewesen, wie ihre Bildsprache wirke und vor allem, was diese bewirkt. Heute schämt sie sich für die extrem problematische Darstellung auf Instagram – die Schulkinder, die sie ohne Erlaubniserklärung der Eltern gefilmt und gezeigt hat, sowie ihre Sichtweise, die sie selbst und ihre Ansichten in den Vordergrund gerückt haben. Im Gespräch wird zudem deutlich, dass wir alle diese Bilder kennen und daher als „normal“ empfinden. Es gibt etliche Bilder von weißen, (meist bekannten) Menschen, die inmitten von schwarzen Kindern stehen, eines umarmen oder die Hand reichen. Im Fokus dabei ist jedoch immer die weiße Person selbst, die eben als „weiße*r Retter*in“ dargestellt wird. Obwohl Stefanie Giesinger diese Darstellung zuvor auch noch als „normal“ empfand, sei sie sich nun über ihre eigene rassistische Inszenierung im Klaren.