Stellungswechsel_offeneBeziehung

Stellungswechsel: Sind offene Beziehungen zum Scheitern verurteilt?

Sex und Feminismus, das passt nicht zusammen? Doch, wie unsere Kolumne „Stellungswechsel“ beweist. Nadine Kroll befasst sich mit den Fragen, die junge Menschen und speziell Frauen, die gerade ihre Sexualität entdecken, ganz besonders beschäftigen. Es geht um gesellschaftlichen Wandel, Selbstbestimmtheit, neu gewonnene Freiheiten, Frauenrechte und natürlich ums Ficken, kurz: um sexpositiven Feminismus und darum, dass sich niemand für seinen Körper oder seine Vorlieben schämen muss.

 

Um ehrlich zu sein: ich war noch nie ein großer Fan von Monogamie. Meiner bescheidenen Meinung nach sind Menschen einfach nicht dafür gemacht, sich ihr Leben lang an nur einen Partner zu binden – egal ob sexuell, beziehungstechnisch oder beides auf einmal. Aus diesem Grund pflege ich offene Beziehungen. Mal mit einem Partner, mal aber auch mit mehreren PartnerInnen gleichzeitig. Das hat bisher genauso gut oder schlecht funktioniert, wie die monogamen Partnerschaften, die ich eingegangen bin: mal waren sie kürzer und mal länger.

Ein Freifahrtschein zum Fremdgehen?

Eine Frage, die mir immer gestellt wird, wenn ich von meinem gelebten Beziehungskonzept erzähle, ist die, ob so eine offene Beziehung nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Weil sie ja praktisch einen Freifahrtschein zum Fremdgehen liefert. Zumindest laut der Menschen, die sich (wohlgemerkt ungefragt) besorgt über meinen Beziehungsstatus und die Handhabe meiner bestehenden Beziehungen zeigen, obwohl ich gar keine Beziehung mit ihnen führe (und im Übrigen auch keine anstrebe).

Bullshit, sage ich. Eine offene Beziehung ist genauso zum Scheitern verurteilt wie eine monogame Bindung, die aus nur zwei Menschen besteht. Und sie kann alles sein, was man sie sein lassen möchte – außer einem Freifahrtschein fürs Fremdgehen. Denn genau das soll bei offenen Beziehungen ja eben nicht geschehen.

Natürlich kommt es auch in offenen Partnerschaften immer mal wieder vor, dass ein Mensch einen anderen betrügt, auf emotionaler, wie auf sexueller Ebene. Zum Beispiel, wenn er Gefühle für oder Sexualkontakte mit anderen Personen bewusst verschweigt. Im Allgemeinen ist das jedoch seltener der Fall, als bei Menschen, die sich noch nie mit dem Konzept der offenen Beziehung auseinandergesetzt haben, auf absolute und bedingungslose sexuelle Treue bestehen oder andere heteronormative Vorstellungen von Beziehungen mit sich herumtragen, die ich vor langer Zeit bereits abgelegt habe.

Versteht mich nicht falsch: Wer monogam leben möchte, soll das gerne versuchen. Ich glaube jedoch nicht an ein Leben in Monogamie und Zweisamkeit. Dafür habe ich vermutlich schon zu viele monogame Beziehungen brechen sehen – und zu viele gute Erfahrungen mit dem Konzept der offenen Beziehung gemacht.

Und was ist mit dem Traum von ewiger Liebe und Zweisamkeit?

Ich glaube, dass es so etwas wie die ewige Liebe nicht mehr gibt. Ich glaube sogar, dass es so etwas nie gab und dass die meisten Paare, die „für immer“ monogam zusammen waren, das weniger aus Liebe, sondern viel mehr aus Abhängigkeit, Gewohnheit, gesellschaftlichen oder finanziellen Aspekten heraus waren, als aus „wahrer Liebe“. Das ist aber eine ganz persönliche Ansicht, und ich verstehe, wenn man mir in dieser Hinsicht vehement widerspricht.

Ich denke, dass nicht Monogamie oder Polyamorie entscheidend dafür sind, ob eine Beziehung auf Dauer funktioniert oder nicht, sondern die einzelnen Personen, die miteinander eine Beziehung führen – ob nun zu zweit, zu dritt oder zu fünft. Es ist nichts, das sich pauschalisieren lässt. Insofern gibt es auf die Frage, ob offene Beziehungen zum Scheitern verurteilt sind, nur eine richtige Antwort: nämlich, dass sie es genauso sind, wie monogame Partnerschaften auch.

Was für wen nun die richtige Beziehungsform ist und wie er seine Partnerschaft nun führen will, muss am Ende jeder für sich selbst herausfinden. Nur manchmal, da wünsche ich mir, fremde Leute würden sich weniger Sorgen um meine offene Beziehung machen und das in Worte fassen und sich stattdessen mehr auf ihr eigenes Liebesleben konzentrieren. Immerhin ist jeder selbst für das Scheitern und Gelingen seiner Beziehungen zuständig.

Keine Regeln?

Für mich jedenfalls funktioniert die offene Partnerschaft derzeit ganz fabelhaft. Das liegt in erster Linie daran, dass wir auf Augenhöhe kommunizieren, uns Eifersüchteleien eingestehen und innerhalb der Beziehung, in der jeder frei für sich ist, dann doch ein paar feste Regeln haben, an die sowohl wir, als auch unsere Sexualpartner*innen sich halten müssen. Regeln, die wir für uns selbst aufgestellt haben und die jedes Paar für sich selbst finden muss – oder eben auch nicht.

Ich kann nur empfehlen, Wünsche nach einer offenen Partnerschaft mal anzusprechen – genauso, wie besprochen werden sollte, wenn ein solches Beziehungskonzept für jemanden nicht (mehr) funktioniert. Die Sache, die Beziehungen funktionieren lässt, ist am Ende doch immer Ehrlichkeit – und dass man über alles miteinander reden kann.