HIV Test

Stellungswechsel: So läuft der HIV-Test für Zuhause ab

Sex und Feminismus, das passt nicht zusammen? Doch, wie unsere Kolumne „Stellungswechsel“ beweist. Nadine Kroll befasst sich mit den Fragen, die junge Menschen und speziell Frauen, die gerade ihre Sexualität entdecken, ganz besonders beschäftigen. Es geht um gesellschaftlichen Wandel, Selbstbestimmtheit, neugewonnene Freiheiten, Frauenrechte und natürlich ums Ficken, kurz: um sexpositiven Feminismus und darum, dass sich niemand für seinen Körper oder seine Vorlieben schämen muss.

 

Ich bin eine Person, die regelmäßig mit vielen verschiedenen Menschen Sex hat. Allein im letzten Monat war die Anzahl meiner Sexualpartner nicht mehr an nur einer Hand abzuzählen. Das sage ich nicht etwa um anzugeben, sondern um deutlich zu machen, dass ich aufgrund meiner sexuellen Aktivitäten in die sogenannten Risikogruppen für HIV falle – auch wenn ich natürlich grundsätzlich verhüte und mich auf diesem Wege bestmöglich vor sämtlichen Geschlechtskrankheiten, die so existieren, zu schützen versuche. Ich bin aber auch Realist und weiß, dass das auch mit Kondom nur bedingt möglich ist. Aus diesem Grund lasse ich mich mindestens einmal im Jahr auf HIV und andere sexuell übertragbare Viren und Krankheiten testen.

Küchentisch, statt Arztpraxis

Seit Oktober gibt es nun auch HIV-Tests für Zuhause zu kaufen. Ob man das nun gut oder schlecht findet, muss am Ende jeder selbst wissen. Ich persönlich begrüße die Entscheidung, schließlich erspart sie mir doch einiges an Stress. Denn auf so ein Testergebnis zu warten ist immer unangenehm – egal, ob man jetzt in einer Arztpraxis sitzt oder am heimischen Küchentisch. Zumal man auf die Ergebnisse des Selbsttests nur 15 Minuten warten muss und nicht eine ganze Woche, wie das bei Arztpraxen und selbst beim Gesundheitsamt der Fall ist. Die Tests gelten als absolut sicher. Heißt: wer ein negatives Testergebnis bekommt, hat sich definitiv nicht mit dem HI-Virus infiziert. Bei positiven Testergebnissen muss ein Bestätigungstest beim Arzt oder Gesundheitsamt gemacht werden, doch auch da liegen nur 0,2% aller ausgeführten Selbsttests daneben. So viel zu den grundlegenden Sachen.

Mein Weg führte mich am Tag der Zulassung also direkt in die nächste Apotheke, wo ich mir einen Test bestellen musste. Auf Lager hatten sie nämlich keinen. Bezahlt habe ich 22 Euro, und schon am darauffolgenden Montag konnte ich meinen allerersten HIV-Selbsttest in der Apotheke abholen und mit nach Hause nehmen. Dort riss ich ihn direkt auf und machte mich ans Werk – mehr von der Angst begleitet, ich könnte bei der Ausführung des Tests etwas falsch machen als von der, dass ich eventuell HIV-positiv sein könnte, weil ich mir vor geraumer Zeit mit einer mir unbekannten Person Drogen durch ein schmutziges Röhrchen geteilt hatte.

So läuft’s ab

Die Durchführung selbst ist eigentlich recht simpel: alles aufbauen, Hände mit warmem Wasser waschen, Fingerkuppe desinfizieren, hineinpieksen, einen Blutstropfen sammeln, Blut mit der Pipette aufnehmen und das Ganze in das Fläschchen mit der Trägerflüssigkeit drücken und warten. Das Schwierigste daran war tatsächlich, genügend Blut für den Test zu sammeln. Aus irgendeinem mir nicht näher bekannten Grund fließt mein Blut nämlich sehr langsam, zäh und insgesamt gibt mein Körper selbst bei schwereren Verletzungen oder auch während meiner Periode nur sehr wenig davon ab. Nach knapp fünf Minuten war das alles aber geschafft und der Kontrollstreifen, der anzeigen sollte, ob der Test korrekt durchgeführt worden war, leuchtete in knalligem Pink. Und dann begann die Zeit des Wartens.

Das Ergebnis kann man nach 15 Minuten auf dem Teststäbchen und mit Hilfe der Packungsbeilage ablesen, nach nur 20 Minuten ist es allerdings schon wieder unbrauchbar und kann nicht mehr gedeutet werden. Man hat also nur ein relativ kleines Zeitfenster, in dem man erfahren kann, ob man nun HIV-positiv ist oder nicht. Und weil ich Angst hatte, dieses Fenster zu verpassen, stellte ich mir zwar einen Wecker, blieb aber dennoch wie gespannt vor dem Teströhrchen aus Plastik sitzen, das mir gleich verraten würde, ob ich gesund war oder nicht.

An dieser Stelle sei jedoch erwähnt, dass so ein Test nur HIV-Infektionen nachweisen kann, die schon länger als drei Monate bestehen. Sollte ich mich also vor zwei Tagen erst angesteckt haben, ist das Ergebnis völlig unbrauchbar. Deshalb sollten Leute wie ich, die ihre Geschlechtspartner wechseln wie andere ihre Unterwäsche, auch konsequent alle drei Monate einen HIV-Test durchführen (lassen). Mit Hilfe der nun verfügbaren Selbsttests wird das natürlich einfacher als bisher – nicht zuletzt, weil es deutlich schneller geht und noch diskreter ist als ein Besuch beim Gesundheitsamt.

Panikattacken inklusive

Die letzten fünf Minuten, die auf dem Timer langsam hinunterzählten, waren dennoch der blanke Horror. Im Kopf ging ich jede potenzielle Ansteckungsmöglichkeit durch (Hatte der Tätowierer letzten Monat wirklich eine frische Nadel benutzt?) und bekam solches Herzrasen, dass ich dachte, ich würde nicht an AIDS, sondern noch auf der Stelle sterben. Als der Wecker klingelte und der Selbsttest offenbarte, dass ich kein HIV habe, hatte ich mich so in meine Todesängste hereingesteigert, dass ich mich nicht einmal darüber freuen konnte. Zumindest nicht, bis sich die plötzliche Panikattacke wieder gelegt hatte.

Im Beipackzettel wären übrigens Telefonnummern und Anlaufstellen vermerkt gewesen – für den Fall, dass ich ein positives Testergebnis erhalten hätte. Ob ich sie noch hätte wählen können, hätte ich tatsächlich HIV gehabt? Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß ist, dass der Selbsttest für Zuhause ein ganz großer Fortschritt ist. Und, dass ich ihn wieder machen werde – denn jetzt, wo es so einfach ist, spricht für mich nichts mehr dagegen, mich alle drei Monate auf das Virus zu testen statt wie bisher nur ein- bis zweimal im Jahr.