Stellungswechsel: Warum du auf den „Peegasm“ verzichten solltest
Sex und Feminismus, das passt nicht zusammen? Doch, wie unsere Kolumne „Stellungswechsel“ beweist. Nadine Kroll befasst sich mit den Fragen, die junge Menschen und speziell Frauen, die gerade ihre Sexualität entdecken, ganz besonders beschäftigen. Es geht um gesellschaftlichen Wandel, Selbstbestimmtheit, neugewonnene Freiheiten, Frauenrechte und natürlich ums Ficken, kurz: um sexpositiven Feminismus und darum, dass sich niemand für seinen Körper oder seine Vorlieben schämen muss.
Auch wenn du bisher noch nichts vom sogenannten „Peegasm“ gehört hast, kannst du dir angesichts der englischen Wortzusammensetzung aus „to pee“, also pinkeln, und „orgasm“, zu Deutsch Orgasmus, bestimmt vorstellen, worum es sich dabei handeln könnte: einem Orgasmus, den man beim Pinkeln erlebt. Ich selbst hatte schon so einige „peegasms“, bevor ich überhaupt wusste, dass es sich dabei um eine reale Sache handelt, die allerdings nicht ungefährlich ist.
Regelmäßige Mini-Orgasmen
Bei meiner Recherche zu dem Pipi-Höhepunkt stieß ich auf einen Reddit-Beitrag aus dem Jahr 2018, in dem ein User berichtet, seine Freundin erlebe regelmäßig Mini-Orgasmen, wenn sie ihren Harndrang lange genug zurückhält und beim Urinieren selbst ihren Harnstrahl zwischendurch bewusst stoppt. Zwar melden sich in dem Thread nicht allzu viele Frauen zu Wort, die dieses Phänomen unterschreiben, doch aus Gesprächen mit meinen Freundinnen weiß ich, dass es eine Sache ist, die fast jede Frau schon einmal erlebt und eher zufällig entdeckt hat.
Als richtigen, ausgewachsenen Orgasmus, der einen völlig fertig, aber gleichzeitig auch unfassbar glücklich macht, kann man einen „peegasm“ vermutlich nicht beschreiben. Allerdings ist es auch mehr als das befreiende Gefühl, das man empfindet, wenn man seine übervolle Blase nach einer langen Autofahrt ohne Zwischenhalte an Raststätten mit halbwegs anständigen Toiletten entleert. Es fühlt sich einfach gut an, irgendwie. Wie tausend kleine Blitze, die den gesamten Körper durchfahren und einen auf seltsame Art und Weise befriedigt zurücklassen.
Ein ‚Peegasm‘ ist nicht unbedenklich
Wissenschaftlich erklären lässt sich der „peegasm“ durch die Reizung des Beckenbodens, die entsteht, wenn sich die Blase langsam füllt. Aus diesem Grund erleben Frauen besonders häufig in den Nächten Träume mit sexuellen Inhalten, wenn sie während der Schlafphase dringend pinkeln müssen. Eine volle Blase kann in solchen Fällen sogar echte Orgasmen triggern.
Dieses Gefühl absichtlich herbeizuführen, indem man einfach so lange einhält, bis man den Eindruck hat, die Blase würde gleich platzen, ist allerdings nicht ungefährlich. In einem Beitrag der New York Post warnt die Gynäkologin Dr. Charlotte Elder davor, den „peegasm“ ins Repertoire der sexuellen Spielarten aufzunehmen. Das ständige Dehnen der Blase kann zu irreparablen Schäden führen – ähnlich wie das „zur Sicherheit gehen“, obwohl man gar nicht muss.
Auch Harnwegsinfektionen gehören zu den Risiken, die Pipi-Höhepunkte mit sich bringen können. Durch das zu lange Einhalten von Urin können sich schädliche Bakterien im Harntrakt ungehindert vermehren und schmerzhafte Blasenentzündungen auslösen. Jeder, der schon mal mit einer solchen Entzündung zu kämpfen hatte, wird mir an dieser Stelle wohl zustimmen, dass das den kurzen Spaß des „peegasm“ einfach nicht wert ist.
Die Gesundheit geht vor
Stattdessen sollte man doch lieber bei den altbewährten Mitteln bleiben, wenn es darum geht, möglichst gute, befriedigende und vor allen Dingen auch gesunde Orgasmen zu erleben. Ganz egal, ob mit der eigenen Hand, elektronischem Sexspielzeug oder realen Partner*innen. Die Gesundheit für ein paar Sekunden Spaß zu ruinieren, sollte angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, sich selbst und andere zum Höhepunkt zu bringen, in der heutigen Zeit wirklich keine Option mehr sein – absurde Sex-Trends hin oder her.