Stellungswechsel

Stellungswechsel: Warum Selbstbefriedigung auch in festen Partnerschaften wichtig ist

Sex und Feminismus, das passt nicht zusammen? Doch, wie unsere Kolumne „Stellungswechsel“ beweist. Nadine Kroll befasst sich mit den Fragen, die junge Menschen und speziell Frauen, die gerade ihre Sexualität entdecken, ganz besonders beschäftigen. Es geht um gesellschaftlichen Wandel, Selbstbestimmtheit, neu gewonnene Freiheiten, Frauenrechte und natürlich ums Ficken, kurz: um sexpositiven Feminismus und darum, dass sich niemand für seinen Körper oder seine Vorlieben schämen muss.

Es gibt diese Leute, die komplett auf Selbstbefriedigung verzichten, wenn sie in einer festen Partnerschaft sind. Sätze wie „Ich brauche das nicht mehr, ich habe ja jetzt meine*n Freund*in dafür!“ oder auch „Für mich ist das das Gleiche, wie als wenn ich mein*e Partner*in mit einem anderen Menschen betrügen würde!“, habe ich bereits mehr als einmal gehört. Und auch wenn so ganz grundsätzlich natürlich nichts dagegenspricht, wenn jemand auf Masturbation verzichtet, so sind es diese Argumente, die mir irgendwie sauer aufstoßen, wenn es um das Thema „Selbstbefriedigung in Beziehungen“ geht.

Das Argument „Ich brauche das nicht mehr, ich habe ja jetzt meine*n Freund*in dafür!“ nämlich deutet an, dass alleine der*die Partner*in für die sexuelle Befriedigung der Person zuständig ist. Sexuelle Begegnungen aber sollten grundsätzlich auf Gegenseitigkeit beruhen und nicht etwa auf einem Anspruch auf Orgasmen. Der Satz ist irgendwie also ganz nett gemeint, was aber letzten Endes nichts daran ändert, dass er auf der anderen Seite irgendwie übergriffig ist und auf gewisse Weise sogar die sogenannte Vergewaltigungskultur reproduziert.

„Selbstbefriedigung ist vieles, aber kein Betrug“

Für den Satz „Für mich ist das das Gleiche, wie als wenn ich mein*e Partner*in mit einem anderen Menschen betrügen würde!“ dagegen habe ich auf persönlicher Ebene schon mehr Verständnis oder kann zumindest nachvollziehen, was damit gemeint ist. Dennoch strotzt diese Begründung vor Sexismus. Menschen sind kein Eigentum, über die man als Partner einfach so entscheiden kann, ob sie sich selbst anfassen dürfen oder nicht und Selbstbefriedigung ist vieles, aber kein Betrug – denn zum Fremdgehen gehören noch immer zwei Personen, die sich wissentlich und willentlich aufeinander einlassen, ihrem*ihrer Partner*in dieses Verhältnis aber verheimlichen.

Insbesondere Mädchen und jungen Frauen wird immer wieder eingeredet, dass Masturbation etwas Schlechtes, ja gar Verbotenes ist, das sie nicht ausüben dürfen, weil sie sonst kein Mann mehr will. Das ist nicht nur Sexismus in Reinform, sondern nimmt eben diesen Mädchen und Frauen die Chance, ihren eigenen Körper auf gesunde Art und Weise selbst kennenzulernen, bevor sie sich auf sexuelle Begegnungen mit anderen Menschen einlassen.

Wenn du dich sowieso noch nie selbst befriedigt hast, weil es dir einfach nichts gibt und du beim Sex mit anderen einfach mehr Spaß empfindest als mit dir alleine, ist das vollkommen okay und sollte keineswegs verurteilt werden. Wenn du die Selbstbefriedigung allerdings schon immer genossen hast und nur überlegst, damit aufzuhören, weil du dich jetzt in einer festen Partnerschaft befindest und diese für dich irgendwie nicht mit Masturbation vereinbar ist, dann solltest du jetzt ganz besonders gut aufpassen. Ich finde nämlich, dass Selbstbefriedigung auch in festen Partnerschaften wichtig ist – und ich verrate dir natürlich auch, warum ich das so sehe.

Masturbation: Ein Bewältigungsmechanismus

Masturbation ist eine Art Tool, auf das wir in den unterschiedlichsten Situationen zurückgreifen. Sei es, weil wir erregt sind, aber gerade keinen Partner in der Nähe haben, weil wir gestresst sind und dringend einmal Druck ablassen müssen oder auch nur, weil uns gerade langweilig ist und wir nicht wissen, was wir mit unserer Zeit sonst anfangen sollen. Verzichten wir nun plötzlich darauf, nur weil wir uns in einer Partnerschaft befinden, geht für viele von uns ein wichtiger Bewältigungsmechanismus verloren, den wir zuvor genutzt haben, um kleinere Alltagsprobleme für uns zu lösen.

Aber nicht nur das. Selbstbefriedigung lehrt uns auch Dinge über unsere eigenen Körper, die wir nur im Alleingang herausfinden können. Mit der*dem Partner*in wiederum können wir ganz andere Dinge über uns selbst und wie wir Sex haben und lieben erfahren. Masturbation macht uns also gewissermaßen zu besseren Liebhabern und sollte dementsprechend nicht zwangsläufig von vornherein ausgeschlossen werden, nur weil man gerade in einer festen Partnerschaft ist.

Generell gilt natürlich: Tu, was dir Spaß macht und gut tut. Aber aufgrund irgendwelcher falscher Glaubenssätze auf Selbstbefriedigung zu verzichten, nur weil du vergeben bist, schadet meiner Ansicht nach auf lange Sicht nicht nur dir selbst, sondern auch deiner Partnerschaft. Wenn du dennoch bedenken hast, dich selbst zu befriedigen, während du in einer Beziehung bist, spricht deine*n Partner*in doch einfach darauf an. In den meisten Fällen ist das Problem kleiner, als es im Kopf erst einmal wirkt. Eventuell ergeben sich aus einem solchen Gespräch sogar neue, sexuelle Abenteuer, die euch beiden Spaß bereiten. Schließlich besteht da ja auch noch die Möglichkeit, vor- und miteinander zu masturbieren…