Stellungswechsel: Wie Sexspielzeug mir geholfen hat, meine Vorlieben zu entdecken
Sex und Feminismus, das passt nicht zusammen? Doch, wie unsere Kolumne „Stellungswechsel“ beweist. Nadine Kroll befasst sich mit den Fragen, die junge Menschen und speziell Frauen, die gerade ihre Sexualität entdecken, ganz besonders beschäftigen. Es geht um gesellschaftlichen Wandel, Selbstbestimmtheit, neugewonnene Freiheiten, Frauenrechte und natürlich ums Ficken, kurz: um sexpositiven Feminismus und darum, dass sich niemand für seinen Körper oder seine Vorlieben schämen muss.
Während meiner Schulzeit gab es in meinem Freundeskreis so ein Ritual, das vermutlich viele von euch kennen werden: pünktlich zum 18. Geburtstag bekam man von seinen Freundinnen den allerersten Vibrator geschenkt. Für mich persönlich ein noch aufregenderes Ereignis, als den Führerschein zu bekommen oder das erste Mal legal Schnaps zu kaufen. Letzteres hatte immerhin schon die Jahre zuvor ohne Personalausweis geklappt – was man vom Besuch im Sexshop nicht behaupten kann.
Sexshop-Erlebnisse
Der stand allerdings auch an, als endlich alle Damen meiner Clique die Volljährigkeit erreicht hatten – und aus Erzählungen weiß ich, dass die Sache bei den Jungs ganz ähnlich gehandhabt wurde. Die bekamen zum 18. Geburtstag in der Regel jedoch keinen Vibrator oder Dildo geschenkt, sondern eine aufblasbare Gummipuppe, die man penetrieren konnte. Besonders beliebt waren dabei die Modelle, die einem Schaf oder einer Kuh nachempfunden waren. Die jungen Männer hielten das damals für besonders witzig – und tun es vermutlich bis heute.
Meinen allerersten Besuch im Sexshop kurz nach meinem 18. Geburtstag empfand ich einerseits als aufregend, andererseits aber auch als schockierend – und das obwohl ich mich nun wirklich nicht als verklemmt bezeichnen würde. Beim Anblick der Monsterdildos und anderen Folterwerkzeuge vergingen mir Lust und Lachen, und insgesamt wirkte der ganze Shop irgendwie so schmuddelig, dass ich mir schwor, nie wieder einen Erotikladen zu betreten.
Inzwischen haben sich die Zeiten zum Glück geändert. Die Läden, in denen Sexspielzeug zum Verkauf angeboten werden, sind freundlicher und heller geworden und auch die Onlineshops, die die Ware Liebe vertreiben, sind inzwischen übersichtlich geworden und so wenig anrüchig, dass man sie getrost im Büro öffnen kann, ohne sofort als lüsternes Schwein enttarnt zu werden. Selbst wer mit riesigen Analplugs und Dildos in Form von Pferdepenissen nichts anfangen kann, wird inzwischen fündig und kann Sexspielzeug in den Einkaufskorb packen, das im Regal locker als modernes Kunstwerk durchgeht.
Darüber freuen sich nicht nur meine Triebe
Man kann also sagen, dass Hilfsmittel zur Befriedigung der menschlichen Lust inzwischen ihre Anrüchigkeit verloren haben und zum Alltagsgegenstand geworden sind. Und das finde ich persönlich sagenhaft gut. Für mich sind Sextoys nämlich nicht einfach nur Gegenstände, mit denen ich mal schnell meinen Trieb unter Kontrolle bringen kann, sondern Mittel, die mir dabei helfen, meinen eigenen Körper zu erforschen und mich selbst besser kennenzulernen in Hinblick auf meine Vorlieben und Abneigungen, kurz gesagt meine Sexualität.
Klar lässt sich all das auch nur mit Hilfe der eigenen Finger oder einer*m Partner*in herausfinden, aber die Erfahrungen, die man macht, wenn Sexspielzeug zum Einsatz kommt, ist eben doch noch mal eine ganz andere. Und zwar sowohl allein, als auch gemeinsam mit dem/der Partner*in. So fand ich zum Beispiel erst mit Hilfe eines speziellen G-Punkt-Vibrators heraus, dass Stimulation an der umstrittenen Stelle mir mehr gibt, als wenn ich mich selbst nur am sichtbaren Teil der Klitoris stimuliere – in etwa, indem ich einen Auflegevibrator oder einen der allseits beliebten Satisfyer benutze. Auch meine ersten Erfahrungen mit Analsex machte ich für mich allein, nachdem ich mir im Internet ganz heimlich und diskret einen kleinen Buttplug für Anfänger*innen bestellt hatte. Was soll ich sagen? Es ist bis heute eine der besten Investitionen, die ich je getätigt habe!
Was will ich eigentlich?
Sexspielzeug hat mir definitiv geholfen, meine eigenen Vorlieben zu entdecken. Es hat es mir leichter gemacht, diese Vorlieben – und auch die Dinge, die ich nicht so gerne mag – an meine Partner*innen zu kommunizieren. Deshalb wird es Zeit, dass wir Sexspielzeug endgültig aus der Schmuddelecke herausholen, in die es leider immer noch allzu oft gesteckt wird. Und uns selbst einzugestehen, dass Sextoys nicht nur etwas für 18. Geburtstage oder verklemmte Menschen sind, die sonst niemanden abkriegen, sondern eine Art Werkzeug, das einerseits unsere Lust befriedigen und uns andererseits aber auch eine ganze Menge über uns selbst und wie unsere Körper funktionieren beibringen kann.