Die Forschung zeigt: Männer überschätzen oft ihre Intelligenz, Frauen sind zu bescheiden
Einer Studie zufolge überschätzen Männer oft ihre eigene Intelligenz, während Frauen häufiger dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen. Die Ergebnisse dieser Studie könnten eine Erklärung für die Gender Pay Gap und geschlechterspezifische Unterschiede in der Karriereentwicklung liefern.
Die Studie wurde von einem Team der School of Applied Psychology der Griffith University in Southport, Australien, unter der Leitung von David Reilly durchgeführt. Hunderte Frauen und Männer wurden gebeten, ihren persönlichen Intelligenzquotienten (IQ) zu schätzen. Danach mussten sie einen echten IQ-Test absolvieren.
Zusätzlich zu diesem Intelligenztest erfassten die Forscher*innen das Selbstbewusstsein der Teilnehmer*innen und führten Persönlichkeitstests durch, die auf typisch „weiblichen“ und „männlichen“ Eigenschaften basierten.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Selbsteinschätzung
Es gibt zwischen Männern und Frauen keinen signifikanten Unterschied in der gemessenen Intelligenz. Das macht die Studie noch einmal klar. Allerdings schätzten sich Männer sich im Durchschnitt klüger ein, als sie es tatsächlich sind; Frauen hingegen neigten dazu, ihre eigene Intelligenz zu unterschätzen.
Dieses Phänomen wird auch als „male hybris, female humility“-Effekt (also „männliche Überheblichkeit, weibliche Bescheidenheit“) bezeichnet – und es ist uns schon seit langem bekannt. Der englische Philosoph Thomas Hobbes schrieb bereits im Jahr 1651 in seinem Buch Leviathan: „So ist die Natur der Männer: Auch wenn sie zugeben mögen, dass viele andere geistreicher, redegewandter oder gelehrter sind, glauben sie doch kaum, dass es viele gibt, die so weise sind wie sie selbst.“
Aber woran liegt das? David Reilly und sein Team wollten untersuchen, ob das psychologische Geschlecht bei dieser Selbstüberschätzung eine größere spielt als das biologische. Möchte man meinen, doch die Ergebnisse zeigen das Gegenteil:
- Personen mit stark ausgeprägten „männlichen“ Persönlichkeitsmerkmalen überschätzen sich stärker, egal ob Mann oder Frau.
- Biologische Männer überschätzten ihre Intelligenz noch stärker als es etwa Frauen mit typisch „männlichen“ Eigenschaften tun
Das biologische Geschlecht scheint also einen noch größeren Einfluss zu haben als das psychologische. Ansonsten hätten sich Frauen mit stark ausgeprägten männlichen Persönlichkeitsmerkmalen ja stärker überschätzen müssen als Männer, bei denen diese weniger stark ausgeprägt sind.
Einfluss auf Bildung und Karriere
Womöglich ist es eine Frage der Erziehung: Reilly erklärt, dass Männer schon in ihrer Kindheit oft selbstbewusster sind als Frauen. Bei Jungen wird ein hohes Selbstbewusstsein oft sehr früh gefördert, bei Mädchen nicht. Das hat jedoch Folgen, sagt Reilly: „Wenn Mädchen ihre Intelligenz in der Schule geringschätzen, neigen sie dazu, weniger herausfordernde Fächer zu wählen.“ Dies betreffe besonders Fächer in den Bereichen Wissenschaft, Technik, Ingenieurwesen und Mathematik. Solche Entscheidungen könnten ihre Bildung und Karrierechancen langfristig einschränken.
Die Forscher*innen sehen in diesen Unterschieden auch eine mögliche Erklärung für die Gender Pay Gap. Frauen, die sich selbst unterschätzen, verhandeln möglicherweise schlechter über ihr Gehalt. „Wir müssen den Ehrgeiz der Mädchen anspornen, wenn sie die komplexen Probleme unserer Gesellschaft lösen und dabei Gerechtigkeit in der Bezahlung erreichen sollen“, betont Reilly daher.
Darum appelliert er an Eltern und Lehrer*innen, das Selbstbewusstsein von Mädchen zu stärken: „Das beginnt früh mit den geschlechtsbedingten Erwartungen der Eltern an die Intelligenz ihrer Kinder und den Unterschieden im Selbstbewusstsein zwischen Mädchen und Jungen.“ Wenn es gelänge, das Selbstbewusstsein von Mädchen und jungen Frauen aufzubauen, könnten sie endlich ohne Selbstzweifel an ihre Fähigkeiten glauben.
Bildquelle: Tima Miroshnichenko via Pexels, CC0-Lizenz