Thirtysomething #9

Von Melanie Christina Mohr

Die Generation Y: Wir kaufen nur Bio, sind überakademisiert, rotten uns in Hipster-Vierteln zusammen und sitzen angeblich lieber im Café statt im Büro. Stimmt das? Was uns ausmacht, vereint und unterscheidet, darum geht’s hier.

Mit Anfang, spätestens Mitte Dreißig stehen wir heute fest im Berufsleben. Wenn alles gut lief.

Was für die Generation Y zur Normalität geworden ist, veranlasst Oma und Opa zum Kopfschütteln. Für die berufliche Retardiertheit unserer Generation machen sie den Laissez-Faire-Erziehungsstil ihrer eigenen Kinder verantwortlich – und verweigern für den Lebenstraum des Enkels auch mal gerne finanzielle Unterstützung; hatte man sich ja schon am Studium und dem Auslandspraktikum beteiligt. Vielleicht liegt das daran, dass wir bis dato auch schon so ziemlich alles waren: Kaffeeschaumillustratoren, angehende Papyrologen, Weltenbummler, irgendwas mit Medien, Vintage-Schreiner, Bio-Bienenzüchter – und irgendwie sind wir ja auch alle Künstler.

 

Mut tut gut

 

Wir haben so viele Träume und Möglichkeiten, dass wir gar nicht wissen, was es denn jetzt am Ende wirklich sein soll. Phrasen wie „für immer“ oder „auf längere Frist gesehen“ gruseln uns, deshalb etablieren wir neue Lebensgefühle lieber in alten Markthallen, statt in unbefristeten Arbeitsverträgen. Wir tanzen zu Klee unter der Dusche und wollen es zumindest probiert haben, weil für Kapitulation ja noch genügend Zeit ist – später. Und weil Mut gut tut, bewerben wir uns auf Jobs, deren Voraussetzungen wir, self-taught versteht sich, im Wohnzimmer perfektioniert haben. Wir wissen mit Sicherheit, dass innovative Ideen nicht immer nur in der Nachahmung von Altbewährtem liegen. Deshalb ist es auch mal für eine Zeit lang okay, auf Sparflamme zu leben und in der restlichen Zeit am Traum zu feilen. Hauptsächlich im Großstadtdschungel dominierend, wäre es vielleicht an der Zeit, das Ganze auch in der Kleinstadt zu beleben. London und Berlin platzen nämlich mittlerweile aus allen Nähten, weil wir, die Ü-30-Rüben-Retter, genau das Wollen und oft nichts anderes.

 

Was genau jetzt?

 

Quereinsteigen! Es ist nämlich immer häufiger so, dass wir erst mit Ende zwanzig wirklich wissen, was wir eigentlich schon immer überdurchschnittlich gut und gerne gemacht haben. Da waren Oma und Opa noch am Träumen, dass die Lust am Schreiben uns zum Lehrer macht und die eigenen Eltern – Generation Sicherheit – in ängstlicher Sorge, dass gewisse Talente doch prinzipiell nur dem Hobbyismus zuzuschreiben sind. Nicht selten stehen wir dann also mit Ü30 noch mal vor richtig großen Neuanfängen. Bewerben uns in Theatern, nehmen an Illustrationswettbewerben teil oder kochen leidenschaftlich lecker beim Food Thursday in Berlin mit. Wir wollen zeigen, was wir können. Keine Referate über Referenzen halten. Na dann: Los!

Melanie Christina Mohr ist Autorin. Sie schreibt Kinder- und Kurzgeschichten, Texte über Religion, Gesellschaft und Kultur und arbeitet am ersten eigenen Roman. Sie hat in Bonn und London Persisch und Literatur studiert, zeichnet gerne Gedanken und fotografiert Details.


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Bildquelle: Robert Scoble unter CC BY 2.0