Anja Rützel hat jetzt einen Podcast

Was wir vom Trash-TV noch lernen können: Interview mit Anja Rützel

ZEITjUNG: Wie erklärst du dir die hohe Beliebtheit vieler Trash-TV-Formate? Wieso schalten wir ein?

Anja Rützel: Ich denke, dass wegen der eben erwähnten Vielschichtigkeit einfach viele Menschen mit unterschiedlichen Fernseh-Absichten erreicht werden können. Natürlich spielt auch Hate-Watching eine Rolle: Man schaltet ein, um sich emotional an völlig fremden Menschen abzureagieren. Das ist natürlich eine ziemlich unsympathische Sichtweise: Man sieht Menschen, denen es gerade deutlich schlechter geht als einem selbst, weil sie im Fernsehen bepöbelt oder mit Gülle übergossen werden, labt sich auch zu einem gewissen Grad am fremden Elend und findet das eigene Leben direkt gar nicht mehr ganz so übel.

ZEITjUNG: Kannst du etwas über die Rezipient*innen sagen? Wer schaut Trash TV? Wer sind die Fans und was ihre Motive?

Anja Rützel: Trash-TV ist auf jeden Fall nicht das „Unterschichtenfernsehen“, zu dem es in der Anfangszeit ja mit unverhohlenem Klassismus verunglimpft wurde. Das zeigen alleine schon die vielzitierten Studien zum Dschungelcamp, die gemessen haben wollen, dass bei diesem Format ein Drittel des Publikums Akademiker und Akademikerinnen sind. Ich kenne Menschen, die das ganze Jahr kein Trash-TV schauen, aber das Dschungelcamp wird zu ihren heiligen zwei Januarwochen, in denen sie jeden Abend wie bei einer unterhaltsamen Sozialstudie einschalten.