Jung, stolz, schön: Wie ukrainische Frauen fetischisiert werden
Ukrainische Frauen sind blond, bewegen sich stolzierend fort, verbringen morgens viel Zeit vor dem Spiegel und tragen selbstverständlich immer einen Pelzmantel. Oder?
Die Flucht ukrainischer Menschen hat in Deutschland viele sehr wünschenswerte Reaktionen ausgelöst. Die meisten Leute gaben und geben sich nach wie vor empathisch, respektvoll und hilfsbereit. Zahlreiche Menschen nahmen Flüchtende aus der Ukraine auf. Aber wie selbstlos war und ist diese Aufnahmebereitschaft seitens einiger Männer wirklich?
„Drei junge, hübsche, blonde Ukrainerinnen bitte“
Wenn man Geschmacklosigkeit anhand einer Situation beschreiben müsste, würde sich diese wohl ziemlich gut eignen: Da flüchten Menschen aus einem Kriegsgebiet, und seitens einiger Männer wird in ominösen WhatsApp- oder Telegram-Gruppen, in Facebook-Kommentaren oder beim Feierabendbier in der Eckkneipe am Billardtisch gewitzelt: „Ukrainische Flüchtlinge? Die nehm‘ ich gern auf. Aber nur, wenn sie jung, weiblich und geil sind.“
Ernsthaft? Leider ja. Ich erinnere mich auch bestens daran, wie mir im Frühling jemand einen Zeitungsartikel gezeigt hat, in dem es darum ging, dass ein Mann drei ukrainische Geflüchtete bei sich aufgenommen hat. Über dem Artikel waren besagter Mann und drei äußerst attraktive junge Frauen abgebildet. Da stellt sich mir die Frage, warum genau dieser Mann für einen Artikel zu diesem Thema ausgewählt wurde. Allein durch die Auswahl speziell dieses Mannes, der drei außerordentlich attraktive geflüchtete Frauen zugeteilt bekommen hat, werden ukrainische Frauen auf ihr Aussehen reduziert und fetischisiert.
Aber auch die Tatsache, dass mir dieser Artikel überhaupt gezeigt wurde, so nach dem Motto: „Hey, schau mal, ist ja lustig, der hat drei heiße Ukrainerinnen abbekommen“ zieht die Tatsache, dass es sich hierbei um Frauen handelt, die vor einem Krieg geflohen sind, absolut ins Lächerliche.
Sind ukrainische Frauen gut im Bett?
Auch selbst habe ich oft genug mitbekommen, wie ukrainische Frauen sich offenbar gezwungen gesehen haben, sich nach diversen unmoralischen Angeboten von Männern im Tausch gegen eine Unterkunft oder Geld zu prostituieren. Oder, wie es der brasilianische Politiker Arthur do Val sagen würde (beziehungsweise tatsächlich gesagt hat): „Ukrainerinnen sind arm und darum leicht zu haben.“ Lol. Derselbe Arthur do Val hat eine Reihe ukrainischer Frauen auf der Flucht übrigens auch als eine „200 Meter lange Schlange voller Gottheiten“ bezeichnet. Noch einmal zum Verständnis: Hier wurde der Fluchtgrund dieser Frauen – nämlich ein Krieg – wissentlich ignoriert. Stattdessen wurde der Umstand, dass Frauen flüchten, ausgenutzt, um sich an ihrer Schönheit aufzugeilen.
Wenn man auf Google nach Ukrainerinnen sucht, werden nicht nur diverse Dating-Seiten und Heiratsbörsen vorgeschlagen, sondern auch seriös aufgezogene Artikel, die ernsthaft in mehr als 2000 Wörtern erörtern, ob ukrainische Frauen denn gut im Bett sind. Eines dieser Meisterwerke kommt übrigens zu dem Schluss, dass sie es sind, denn „ukrainische Frauen (…) wollen im Gegensatz zu westlichen Frauen keine Männer sein“. Aha.
In einem anderen Artikel, der allerdings nicht von einem männlichen Blogger, sondern von der NZZ – einer seriösen Schweizer Tageszeitung – stammt, wird die Stereotypisierung und Fetischisierung ukrainischer Frauen, die Margarete Stokowski in ihrer SPIEGEL-Kolumne angesprochen hatte, gewissermaßen verleugnet, und stattdessen ernsthaft postuliert, dass es doch möglich sei, zugleich zu helfen und zu begehren.