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Fotografie: Der Ballermann und das herrlich verballerte Publikum

Vivian Rutsch wurde 1994 in Süddeutschland geboren und studiert seit 2013 Fotojournalismus und Dokumentar-Fotografie in Hannover. Zur Zeit ist sie im siebten Semester und arbeitet hauptsächlich an freien Projekten. Für das Fotoprojekt „German Holiday Paradise“ hat sie sich drei Wochen lang an der Playa de Palma auf Malle eingemietet. Und einfach mal beobachtet. Für uns stand sie im Interview Rede und Antwort:

ZEITjUNG.de: Du hast dich für dein Fotoprojekt drei Wochen lang an der Playa de Palma eingemietet – warum faszinieren dich die Menschen, die zum Ballermann nach Mallorca fliegen?

Vivian Rutsch: Ich interessiere mich für skurrile Orte und Begebenheiten und wollte herausfinden, inwiefern die Klischees in meinem Kopf mit der Realität übereinstimmen. Es fasziniert mich sehr Teil eines Mikrokosmos zu werden und in eine mir unbekannte Welt einzutauchen. Ich wollte herausfinden, welche Menschen zum Ballermann fliegen und was sie dazu bewegt.

 

Warum ist Mallorca bei den Deutschen überhaupt so beliebt? Party kann man schließlich auch im Heimatort machen.
Ich habe die deutsche Urlaubskultur als eine große Gemeinschaft wahrgenommen. Am Ballermann, wo ich mich primär aufhielt, war die Stimmung immer ausgelassen und ungehemmt. Anonymität spielt hier sicherlich eine wichtige Rolle. Ich denke,  die Menschen finden hier einen Ort, den es in ihrer Heimat nicht gibt. Alter und Beruf sind zweitrangig, das ist sicher ein Grund für die Faszination, die der Ballermann auf deutsches Publikum ausübt. Besonders für eine Generation, für die es in Deutschland eigentlich keine Partykultur in diesem Ausmaß gibt. Diese Ausgelassenheit wäre in Deutschland undenkbar, für viele bedeutet  das Feiern am Ballermann auch frei sein – ohne dafür verurteilt zu werden.

 

Welche skurrilen Begegnungen gab es in dieser Zeit?
Für mich war die gesamte Zeit am Ballermann eine skurrile Begegnung. Ein kleiner Auschnitt aus meinem Notizbuch:„ Ich setze mich mit meiner Kamera auf eine Mauer zwischen Strand und Promenade und beobachte das Treiben. Eine Frau setzt sich neben mich, braune Dauerwelle, goldene Creolen und eine goldene Halskette liegen auf ihrer mit Leberflecken übersäten Haut. Sie beginnt zu rauchen, zieht heftig an ihrer Zigarette, ihre langen roten Fingernägel blitzen mich an, an den Enden blättert der Lack ab. Ich möchte sie fotografieren, wir kommen ins Gespräch. Ich fotografiere sie, hinter ihr das schwarze Meer. Die Laternen werfen gelbes Licht auf ihr braunes Haar. Sie erzählt, dass sie allein da ist, wir gehen zusammen Bier trinken. Der Raum ist voll und laut, deutscher Schlager wird mitgegrölt. Mehrere Monitore zeigen einen Boxkampf. Sandra erzählt, sie liebe Schlägereien, sie könne dann nicht aufhören hinzustarren. Das habe sie von ihrer Mutter, die hat sie mit fünf schon vor den Fernsehr gesetzt und Schwergewichtsklasse ansehen lassen. Mit 17 ging sie dann in eine Bar, wo sich die Jungs prügelten. Dort stand sie in der ersten Reihe und ging mit Blutspritzern auf den Pumps nach Hause.

So sitze ich mit Sandra im Bierkönig auf hölzernen Hockern, drei Bier später gesellen sich drei Männer zu uns. Alle zwischen 48 und 50, dickbäuchig und ergraut. Sie stellen sich als Hubert, Guido und Winnie vor. Nach einem kurzen Gespräch knutschen Sandra und Winnie, obwohl Sandra eigentlich ein Auge auf den etwas arroganten Guido in Lederhosen geworfen hatte. Wir begleiten die drei in die „Rutschbahn“, eine Oldie-Disko mit einer kleinen Holzrutsche, die in den Keller führt. So ähnlich wie man sie aus Kohlegruben kennt. Es wird getanzt. Hubert setzt sich zu mir an die Bar. Nach dem siebten Bier, das sie uns spendieren, gehen wir nach Hause. Sandra wollte trotzdem nicht mit Winnie schlafen, vielleicht hätte er ihr die Tatsache, dass er verheiratet ist und zwei Töchter hat vorenthalten sollen.

Danke für dieses Interview! Vivians Fotoprojekte findet ihr hier, ihre Instagram-Page hier.