Von Dahoam nach Venedig: Grenzerfahrungen in den Dolomiten
Ein Sabbatical verbringt jeder anders. Die einen machen einen Yoga-Kurs auf Bali, die anderen reisen durch Südafrika. Doch Clarissa und David hatten andere Pläne: Die beiden Münchener haben sich für den Sommer ambitionierte Pläne gesteckt. Sie wollen zu Fuß von München bis nach Venedig laufen. Ob sich ihr Traum erfüllt und was sie auf ihrem Weg erleben, das erfahrt ihr in den nächsten Wochen hier.
Die dritte Etappe: 16.07.22-22.07.22
Die Fortsetzung unseres Abenteuers. In 33 Tagesetappen gänzlich zu Fuß von München nach Venedig. Einmal über die Alpen. Etwa 600 km und 25.000 Höhenmeter. Ein Traum für viele Wanderer und unser ganz persönlicher “Traumpfad”.
Körperliche Grenzen
Schon gute zwei Wochen sind wir nun unterwegs und es ist Halbzeit. Nach den letzten langen Bergab-Touren machten sich unsere körperlichen Grenzen bemerkbar. Die geplagten Knie wollten sich einfach nicht über Nacht erholen und die Hitze hatte Spitzenwerte erreicht, die uns das Wasser selbst im bewaldeten Gebiet runterrinnen ließen. Wir waren daher durchaus froh, dass wir uns einen Pausentag in Bruneck eingeplant hatten und mal für einen Tag ohne Anstrengungen verschnaufen und die bisherigen Eindrücke sacken lassen konnten.
Ausgeruht verabschiedeten wir uns von den Zentralalpen. Unsere Blicke ließen wir ein letztes Mal über die dunstigen Berge und Gipfel der vergangenen Tage schweifen, aber wo Bekanntes aufhört fängt Neues an. Die nördlichen Dolomiten konnten wir schon erahnen, dennoch hatten wir noch keine Ahnung, was auf uns zukommt! Nicht ohne Grund sind sie von der UNESCO zum Welkuturerbe ernannt worden.
Aus der Ferne konnten wir schon die imposanten Gipfel in Form des Peitlerkofels erkennen. Je näher wir rückten, desto beeindruckender wurde der Anblick! Die erste Scharte zeigte uns ziemlich gnadenlos, was es heißt, in diesen Bergen unterwegs zu sein. Nach gut 20 km mussten wir zum Abschluss unserer Etappe in der prallen Sonne einen weißen, unendlichen Steinhang hoch. So schön das weiße Kalkgestein der Dolomiten war, so erbarmungslos reflektierte es die Hitze. Am nächsten Tag ging es ähnlich beschwerlich die Roa-Scharte hoch – und dennoch, langsam aber sicher zogen uns die Dolomiten in ihren Bann.
Die Grenzen des Greifbaren
Diese Landschaft fing an uns jeglichem Fassungsvermögen zu berauben. Diese senkrecht in die Höhe ragenden Felsformationen, manchmal aschgrau, manchmal ziegelrot, zwischendurch pechschwarze Maserungen und dann direkt darunter Geröll- und Staubmoränen, die die Unbegehbarkeit dieser Landschaft untermalen. In die endlose Ferne blickend, fühlte es sich nicht mehr so an als ob wir auf der Erde wären. Vielmehr wirkte es wie eine Mond- oder Marslandschaft.
Beim Beschreiten der Dolomiten konnten wir eine kürzlich entdeckte und wachsende Leidenschaft miteinbringen. Wir kämpften uns den ersten Klettersteig dieses Abenteuers hoch, um dann in einen Abgrund analog zum Grand Canyon zu blicken. Sind wir wirklich in Italien oder ist das hier der wilde Westen? Unser Verstand und unsere Augen konnten die Dimensionen einfach nicht greifen – so hoch, so tief, so weitläufig, so anders und wir mittendrin. Ringsherum nichts außer massives Gestein, endlose Plateaus und unwirklich blühende Blümchen, die uns zumindest ein Gefühl für die Relation der Größe wiederbrachte. Wir waren jetzt auf einer Höhe angelangt, in der die Flora karg wurde, längst über der Baumgrenze, wo allein nur die Wolken für Schatten sorgen konnten.