Buch Blätter

Warum gibt es dieses Jahr keinen Nobelpreis für Literatur?

Vielleicht hat es der ein oder andere schon mitbekommen – es ist wieder Nobelpreissaison. In allen Bereichen der Forschung ist es wahrscheinlich bis heute noch die prestigereichste Form der Ehrung, einen Nobelpreis zu erhalten, und jedes Jahr wird mitgefiebert. Im Bereich Medizin sicherten ihn dieses Jahr James P. Ellison und Tasuku Hujo zu ihrer Krebsforschung, Arthur Ashkin, Geérard Murou und Donna Strickland holten ihn sich im Bereich der Physik für ihre Entwicklungen in der Laserphysik, und Frances Arnold, George Smith und Gregory Winter erhielten den Nobelpreis in der Chemie für ihre Umweltforschung.

Heute hätte eigentlich der Literaturnobelpreis verliehen werden sollen. Und kaum ein Preis wird öffentlich so heiß verhandelt und diskutiert wie der Literatur- und der Friedensnobelpreis. Beide fanden ihren Weg von Prestige zum Alltag, und vor allem im Bereich Literatur macht sich der Nobelpreis-Effekt sehr bemerkbar: nach der Verleihung sind die Bücher mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder vorne in den Regalen, und werden zu Verkaufsschlagern: Kazuo Ishiguro, der den Literaturnobelpreis im Jahr 2017 erhielt, war nach der Verleihung mit gleich drei seiner Bücher wieder in der Bestsellerliste vertreten. Aber dieses Jahr ist es in der Akademie rund um das Thema sehr still geworden. Denn dieses Jahr wird im Bereich Literatur kein Nobelpreis verliehen, dafür sollen nächstes Jahr dann zwei Gewinner folgen.

 

Aber warum?

 

Die Verschiebung hat allerlei (gute) Gründe. Immer wieder hat die Schwedische Akademie, die verantwortlich ist für die Verkündung des Literaturnobelpreises, mit Korruptionsskandalen und Kritik an ihren Entscheidungen zu kämpfen (siehe Bob Dylan und Elfriede Jelinek). Und während die Akademie meistens mit ein paar Kratzern in ihrer Reputation davonkam, platzte dieses Jahr eine Bombe, von der sie sich so schnell nicht erholen sollte. Jean-Claude Arnault, Ehemann des hochrangigen Akademie-Mitglieds Katarina Frostenson, wurde im Zuge der #MeToo-Bewegung von 18 Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigt – auch Kronprinzessin Victoria soll betroffen sein – und die Vorwürfe reichen bis hin zur Vergewaltigung. Als wäre das nicht genug, wird das Ehepaar Frostenson und Arnault zudem beschuldigt, Fördergelder für eigene Zwecke benutzt zu haben. Der 72-jährige Arnault wurde nach der Verhandlung im September 2018 umgehend in Untersuchungshaft genommen, da Fluchtgefahr bestand. Nun wurde er zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Viele Mitglieder waren nicht damit einverstanden, wie die Schwedische Akademie mit dem Skandal umging, und legten ihre Arbeit nieder, was zur Folge hatte, dass schlussendlich nur noch zehn von achtzehn Mitgliedern aktiv sind. Und da einige Entscheidungen mindestens zwölf Stimmberechtigte verlangen, äußerte sich König Carl Gustav XVI. besorgt über die „Arbeitsfähigkeit“ der Akademie. Mit all den Skandalen und Unruhen kam dann die Entscheidung, dass die Verleihung dieses Jahr ausfällt.

Durch die Pause will die Akademie das verspielte Vertrauen wieder zurückgewinnen. Den zeitlichen Abstand wird die Schwedische Akademie zudem brauchen-  abgesehen vom verlorenen Vertrauen – um die organisatorischen Probleme zu klären, und um sich in Sachen Transparenz und Flexibilität zu reformieren.

 

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz