Warum man alte Freundschaften auch mal loslassen sollte

Auf einer Doppelschaukel dem Himmel entgegenfliegen, den ersten Liebeskummer beieinander ausheulen, Partys feiern und später den eigenen Kindern zuschauen, wie sie gemeinsam dasselbe tun. Der Traum einer engen, lebenslangen Freundschaft ist tief in uns verwurzelt.

Und ich schreibe hier bewusst „Traum“, denn in der Realität existieren solche Freundschaften nun mal kaum. Das klingt schlimmer als es eigentlich ist. Sei es, weil man umzieht, die Schule wechselt oder sich einfach auseinander lebt – Freundschaften zerbrechen nun mal. Und neue entstehen. 

Ob im Kindergarten, in der Schule oder in der Uni – die besten Freund*innen hat man da, wo man die meiste Zeit miteinander verbringt und Probleme miteinander teilt. Verändert sich das Umfeld, verändert sich auch die Freundschaft. Die Beiläufigkeiten, über die man sonst gesprochen hat und die Spontanität, die alles so unbeschwert gemacht hat, gehen verloren. Aber nur weil eine Freundschaft nicht mehr so tief ist, heißt das nicht, dass sie nicht mehr da ist. Eine Freundschaft ist nichts Greifbares. Sie existiert einfach vor sich hin, mal mehr, mal weniger offensichtlich.

Es gibt Freund*innen, denen man seine Gefühle ausschüttet, Freunde, die man immer spontan erreichen kann und es gibt Freunde von früher, die man 5 Mal im Jahr trifft und mit denen man immer noch Spaß hat. Jede dieser Freundschaften hat ihre Daseinsberechtigung und bereichert das Leben auf ihre eigene Art. 

Natürlich ist es schön, noch die Freund*innen aus dem Kindergarten zu haben, mit denen man aufgewachsen ist, die an unbeschwerte Zeiten und vergangene Abenteuer erinnern. Der Gedanke, dieses warme Gefühl zu verlieren, macht Angst. Trotzdem sollte man sich nicht verzweifelt daran festklammern. Denn mit jeder neuen Freundschaft entstehen neue Erinnerungen, in denen man später schwelgen kann. Eine Freundschaft verliert nicht an Bedeutung. Sie steht für eine bestimmte Zeit im Leben, die man miteinander teilen konnte und durch die man für immer miteinander verbunden sein wird. 

„Zerbrechen“ können Freundschaften also genau genommen nicht mal. „Zerbrechen“ ist ein plötzlicher Moment, der alles schlagartig verändert. Zurück bleiben nur Scherben, die man mühselig aufsammeln muss. Freundschaften lösen sich höchstens auf. Ein schleichender Prozess, der Spielraum für Neues lässt. Es dauert lange, bis eine Freundschaft vorbei ist und vielleicht entdeckt man hin und wieder Spuren, die von ihr übrig geblieben sind. Und ganz nebenbei, fast automatisch, findet man neue Freunde, bei denen man den Liebeskummer ausheulen kann, mit denen man Partys feiern oder eben auf einer Doppelschaukel dem Himmel entgegenfliegen kann. 

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Bildquelle: Unsplash, CCO-Lizenz